Als Schweißaufsicht unter Wasser: Auch im Nassen qualifiziert entscheiden
Unterwasserschweißen ist die hohe Kunst des Schweißens. Schließlich erwartet die Schweißaufsicht die gleichen Ergebnisse wie beim trockenen Schweißen – das aber in einem Umfeld, in dem die Sicht durch Schwebeteilchen, Dunkelheit und Luftblasen erschwert wird, Strömung und fehlende Schwerkraft für Unruhe sorgen und die Bewegung durch einen schweren Anzug eingeschränkt ist. Unterwasser-Schweißaufsicht Dirk Kruschinski von SafeLane Global arbeitet derzeit am Fährhafen Sassnitz und berichtet aus seinem Berufsalltag.
Das Unterwasserschweißen wird stetig relevanter – unter anderem aufgrund der wachsenden Zahl an Offshore-Windparks. Weitere Einsatzgebiete sind der Bau oder die Instandhaltung von Hafenanlagen, Wasserstraßen, Unterwasserpipelines, Schleusenanlagen, Talsperren, Wasserkraftwerken, Offshore-Plattformen, der Schiffsbau, aber auch die Bergung havarierter Fähren.
Die Anforderungen an Unterwasserschweißer sind hoch: Es braucht die Herstellerqualifikation Klasse UD nach Richtlinie DVS 1801 sowie die Zertifizierung nach DIN EN ISO 15618-1, die höchstmögliche Zertifizierung. Für die vorgeschriebenen Rezertifizierungen, ein Höchstmaß an Kundenzufriedenheit sowie nicht zuletzt die eigene Sicherheit sind kontinuierliche Schulungen, zusätzliche Qualifizierungsnachweise und Erfahrung vonnöten. All das erhalten die Taucher bei SafeLane Global nicht nur im Rahmen ihrer Projekte, sondern auch im Tauchbecken am Standort Barth. Dort erfolgt auch die eigentliche Ausbildung. Ein weiterer Ausbildungsort ist die GSI mbH, Niederlassung SLV Hannover.
Kein Wunder, dass es nur drei Unternehmen in Deutschland gibt, die diese Anforderungen erfüllen. Eines von ihnen ist SafeLane Global. Zum Taucherteam gehören vier geprüfte Unterwasser- Schweißer sowie ein Schweißfachingenieur (SFI) als Schweißaufsicht. Dirk Kruschinski ist seit den 1990ern begeisterter Unterwasserschweißer und DVSSchweißfachmann. Bei SafeLane Global fungiert er als Taucheinsatzleiter und stellvertretende Schweißaufsicht.
SCHWEISSAUFSICHT AKTUELL trifft Dirk Kruschinski kurz vor einem weiteren Tauchgang seiner langjährigen Karriere. Die Tauchausrüstung liegt bereits griffbereit für die an diesem Tag anstehende Hafenuntersuchung am Fährhafen Sassnitz.
Herr Kruschinski, wie sind Sie zum Unterwasserschweißen gekommen? Waren Sie erst Schweißer und haben dann den Tauchschein gemacht? Oder war es andersherum?
Ursprünglich habe ich Bau- und Möbeltischler gelernt und einige Jahre in diesem Berufsfeld gearbeitet. Dann bin ich nach vier Jahren bei der Marine als Marinetaucher zunächst in die Tischlerei zurückgegangen. Das Wasser habe ich aber nie so richtig verlassen. Es folgte 1998 der Unterwasserschweißschein. Daraufhin habe ich mich kontinuierlich weitergebildet – zunächst zum Schweißfachmann, damit ich die Aufsichten auf der Baustelle ausführen und dem Ingenieur beratend zur Seite stehen kann – ein ungemein spannendes Feld.
Worin liegt für Sie die Faszination des Unterwasserschweißens?
Meine Tätigkeit ist selbst erfahrenen Schweißern an Land oft nur schwer zu erklären: Man geht mit Strom ins Wasser. Wie ist das denn möglich? Jeder weiß, diese Kombination endet meistens unglücklich, wenn nicht sogar tödlich. Wir müssen das sicher umsetzen und dabei Schweißungen hinbekommen, die einer Schweißung über Wasser gleichkommen.
Es geht beim Unterwasserschweißen vor allem um zwei Verfahren: Beim trockenen Schweißen wird mit Hilfe spezieller Tauchkammern oder -glocken der Bereich um die Schweißarbeiten mit Druckluft trockengelegt. Beim nassen Schweißen werden die Schweißarbeiten von einem Unterwasserschweißer in Taucherausrüstung im Wasser durchgeführt. Wir setzen zumeist auf Lichtbogenschweißen mit Elektrode und Gleichstrom. Hierdurch verdampft das Wasser an der Schweißstelle, der Werkstoff schmilzt. Hier ist beispielsweise auf einen hohen Wasserstoffgehalt in der Gasblase zu achten. Andere Schweißverfahren unter Wasser sind WIG, MIG/MAG und, nicht ganz so gebräuchlich, das Mittelfrequenz (MF)-Schweißen.
Das Arbeiten unter Wasser ist und bleibt faszinierend für mich. Zudem finde ich es immer wieder beeindruckend, dass man auch unter Wasser perfekte Schweißnähte machen kann – ohne Nacharbeiten. Es gibt einen gewissen ,Nahtstolz‘ unter uns Unterwasserschweißern.
Eine weitere Herausforderung kommt dann der Schweißaufsicht zu. Worauf muss diese unter Wasser achten?
Die Schweißaufsicht muss bereits im Vorfeld alles gut angeschaut haben und bestens kennen: Welche Bauteile sind zu schweißen oder zu fügen? Wie ist die Maßgenauigkeit? Passt alles bezüglich der Bauzeichnung? Das, was irgendwann einmal auf einer Bauzeichnung skizziert wurde, stimmt vielerorts ja nicht mehr mit der Realität überein. Es müssen also Teile angepasst oder nachgearbeitet werden. Dann werden sie unter Wasser geheftet, bevor der Schweißtaucher mit seiner Aufgabe beginnt.Die Schweißaufsicht muss außerdem den gesamten Prozess verfolgen: Werden die Richtlinien bei der Schweißung eingehalten? Stimmen die Parameter?
Zum Abschluss kommt die Abnahme mit Videodokumentation oder Bildern. Je enger Ingenieurstauch-Know-how und Schweißexpertise hier verknüpft sind, umso besser. Ansonsten lassen sich die Unterwassernähte nicht verlässlich begutachten, denn auf der Kamera sieht es immer anders aus. Ein Bild kann gar nicht genau zeigen, wie es unten dann in natura aussieht.
Gibt es Nachwuchssorgen auf diesem Gebiet?
Das Unterwasserschweißen ist ein recht überschaubares Feld. Es gibt in Deutschland nicht viele Firmen, die hier aktiv sind. Vielen fehlt die höhere UD-Zertifizierung. Sie haben nur die UB-Klasse, die oftmals nicht ausreichend ist. Insofern ist es dringend erforderlich, hinlänglich qualifiziertes und erfahrenes Personal zu haben. Da müssen Unternehmen auch genau schauen: Kann der Dienstleister, den ich beauftrage, auch Unterwassernähte übernehmen oder nur Heft- und Reparaturschweißungen? Die Anfertigung neuer Bauteile, die einer starken Beanspruchung unterliegen, setzt eine höhere UD-Qualifizierung voraus. Hier sind immer wieder gute Nachwuchskräfte gefragt.
Unterwasserschweißen ist ein Job mit Zukunft, Stahl ist schließlich immer dem Verfall preisgegeben. Das wird sich nicht ändern. Wir suchen aktuell auch wieder – vielleicht auch aus den eigenen Reihen. Wer sich für diesen Beruf interessiert, muss mindestens 21 Jahre alt sein, eine abgeschlossene Ausbildung und eine Berufstaucher-Ausbildung vorweisen können. Die Tauchtauglichkeit ist selbstverständlich. Hinzu kommt der Rettungsschwimmer in Bronze.
Welche Projekte haben Sie zuletzt unterstützt?
Da gab es beispielsweise Baustellen für die Bundeswehr, bei denen es um große Seefender geht. Da müssen große statische Nähte hergestellt und auch kontrolliert werden. Der Nahtaufbau ist sehr wichtig.
Aber es gibt auch spannende Reparaturarbeiten, wenn ein Flicken aufgesetzt werden muss. Meistens werden Schiffe oder ähnliches dann im Trockenen umfassend repariert. Eines meiner großen Projekte war auch die Tirpitzmole in Kiel, der Liegeplatz der „Gorch Fock“. Zum einen hatte ich eigene Schweißaufgaben unter Wasser. Zum anderen musste ich auch die anderen Schweißer und ihre Arbeiten kontrollieren.
Sie sind seit 20 Jahren Unterwasserschweißer und Schweißaufsicht. Welche Ratschläge haben Sie für Neulinge auf diesem Gebiet?
Das A und O ist auf jeden Fall – und dieser Hinweis findet sich auch auf jeder Elektrodenpackung: Der Schweißtaucher muss gute Sicht haben. Ebenso wichtig sind Erfahrung und Routine, die man durch viele, viele Tauchgänge gewinnt. Ich möchte aber auch noch einmal auf den festen Stand hinweisen. Irgendwo nur in der Schwebe zu hängen und dann vernünftige Schweißnähte anzufertigen, ist nur schwer möglich. Mobile Rüstungen können hier weiterhelfen, um die Standfestigkeit zu erhöhen. Es gibt aber auch Magnete, an denen der Taucher bei seiner Arbeit hängt. Ich kann nur sagen: Das Allerwichtigste ist immer, den Arbeitsplatz durchdacht und verlässlich einzurichten und zu strukturieren. Ohne Übersicht und Ordnung geht es nicht. Nur dann lassen sich vernünftige Schweißungen realisieren.
Welche Tipps haben Sie für die Schweißaufsicht?
Alle Unterlagen müssen frühzeitig da und alle Dokumente müssen bestens bekannt sein, um nichts zu übersehen. Die Schweißaufsicht bekommt da selbstverständlich Unterlagen zu Gesicht, die der Schweißer nicht sehen wird, etwa vom Ingenieur oder Techniker. Die geforderten Parameter müssen dann weitergegeben werden. Um was geht es konkret? Was muss erledigt werden und in welcher Reihenfolge? Nur drauflosschweißen geht nicht. Kontinuierliche Kontrolle muss sein. Am besten gelingt dies, wenn im Vorfeld ein genauer Plan skizziert wird. Hinzu kommen Einweisung, Unterweisung und Schweißzeugnis. Die Schweißaufsicht muss alles im Blick haben und immer den Überblick behalten.
Die GSI – Gesellschaft für Schweißtechnik International mbH ist gemäß Kapitel 5.3 der DVS-Richtlinie 1801 anerkannte Stelle für die Zertifizierung von Herstellern, die nasse Unterwasserschweißarbeiten ausführen. Sie bilden Unterwasserschweißer nach Richtlinie DVS 1186 aus. Die Prüfung der Unterwasserschweißer erfolgt nach DIN EN ISO 15618-1. Voraussetzung für die Teilnahme am Lehrgang ist der Abschluss als „geprüfter Taucher“.
Die GSI-Niederlassung SLV Hannover leitet die internationale Arbeitsgruppe WG 1 „Qualification of welders for underwater welding“ des Technischen Komitees ISO/TC 44/SC 11 „Qualifizierung von Personal für das Schweißen und verwandte Verfahren“ der Internationalen Organisation für Normung (ISO), die u. a. für die Überarbeitung der Normen ISO 15618-1 (Schweißerprüfung) und ISO 15614-9 (Verfahrensprüfung) verantwortlich ist.
(Autorin: Susanne Collins)
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