Emissionsfreie Autos: Kriegen wir die Kurve?
Die Europäische Union hat eine Regelung eingeführt, die einem Verkaufsverbot von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab 2035 gleichkommt. So soll der Autobestand emissionsfrei werden. Ein lobenswertes Ziel, aber der Weg dorthin ist mit Hindernissen gepflastert. Die EU muss sicherstellen, dass sie ihren Ehrgeiz beim Klimaschutz nicht mit einer Schwächung ihrer industriellen Souveränität bezahlt. Auch sollte die Erreichung der Klimaziele die Bürgerinnen und Bürger finanziell nicht überfordern.
Die Verringerung bzw. vollständige Beseitigung von Pkw-Emissionen ist ein zentrales Element der europäischen Klimastrategie, mit der die Netto-Emissionen bis 2050 auf Null gesenkt werden sollen. Um dies zu erreichen, muss der CO2-Ausstoß von Pkw mit Verbrennungsmotoren verringert werden. Ferner müssen Optionen für alternative Kraftstoffe ausgelotet werden. Und schließlich müssen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge die breite Masse erreichen. In den letzten Jahren hat der Europäische Rechnungshof eine Reihe von Berichten veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass das erste Ziel bisher verfehlt wurde, das zweite – wie sich am Beispiel der Biokraftstoffe zeigt – in großem Maßstab nicht tragfähig erscheint, und das dritte sowohl für die Industrie als auch für die Verbraucher in der EU kostspielig werden könnte.
Senkung der Pkw-Emissionen: leichter gesagt als getan
Zwar hat die EU Fortschritte bei der Verringerung der Treibhausgasemissionen erzielt – aber nicht im Verkehrssektor, auf den etwa ein Viertel der gesamten Treibhausgasemissionen in Europa entfällt, die Hälfte davon allein auf Pkw.
„Der Grüne Deal kann nur erfolgreich sein, wenn die Pkw-Emissionen reduziert werden. Wir müssen jedoch mit Bedauern feststellen, dass die meisten herkömmlichen Autos trotz ehrgeiziger Ziele und strenger Anforderungen immer noch so viel CO2 ausstoßen wie vor zwölf Jahren,“ so Nikolaos Milionis, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs.
Obwohl die Prüfnormen bereits seit den 2010er-Jahren verschärft wurden, stellten die EU-Prüfer fest, dass die tatsächlichen Emissionen herkömmlicher Verbrenner – die immer noch fast drei Viertel der Neuzulassungen ausmachen – in zwölf Jahren nicht wesentlich zurückgegangen sind. Zwar sind die Motoren effizienter geworden, doch wurde dies zunichte gemacht durch durchschnittlich (rund 10 %) schwerere Autos und (rund 25 %) leistungsstärkere Motoren, die erforderlich sind, um dieses Gewicht zu bewegen.
Darüber hinaus stellten die Prüfer fest, dass Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge – von denen einmal angenommen wurde, dass sie reine Verbrenner sanft ablösen könnten – nach wie vor als „emissionsarm“ eingestuft werden, obwohl die unter Laborbedingungen gemessenen Emissionen und die Emissionen auf der Straße um durchschnittlich 250 % auseinander liegen.
- Sonderbericht 01/2024 des Europäischen Rechnungshofs: „Reduktion der CO2-Emissionen von Pkw: Maßnahmen gewinnen endlich an Fahrt, doch stehen noch Herausforderungen bevor“:
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Alternative Kraftstoffe: ungewisse Zukunft
Alternative Kraftstoffe wie Biokraftstoffe, E-Fuels oder Wasserstoff werden häufig als potenzielle Nachfolger von Benzin und Diesel genannt. In ihrem Bericht über Biokraftstoffe betonen die EU-Prüfer jedoch, dass ein klarer und stabiler Fahrplan zur Bewältigung der langfristigen Probleme der Branche – verfügbare Brennstoffmenge, Kosten und Umweltfreundlichkeit – fehlt.
„Da sie nicht flächendeckend verfügbar sind, stellen Biokraftstoffe keine zuverlässige und glaubwürdige Alternative für Autos dar,“ sagt Nikolaos Milionis. Erstens reicht die im Inland erzeugte Biomasse nicht aus, um eine ernsthafte Alternative zu herkömmlichen fossilen Brennstoffen sein zu können. Wird die Biomasse aber überwiegend aus Drittländern importiert, läuft dies dem Ziel der strategischen Autonomie im Energiebereich zuwider. Biokraftstoffe stehen auch mit anderen Industriezweigen (z. B. Lebensmittel, Arzneimittel und Kosmetika) im Wettbewerb um Rohstoffe. Zweitens kamen die EU-Prüfer aufgrund dieser Nachfrageprobleme zu dem Schluss, dass Biokraftstoffe noch nicht wettbewerbsfähig sind. Biokraftstoffe sind schlicht teurer als kohlenstoffbasierte Kraftstoffe, und derzeit ist es billiger, Emissionszertifikate zu erwerben, als die CO2-Emissionen mithilfe von Biokraftstoffen zu verringern, die durch die Besteuerungspolitik der EU-Länder nicht immer begünstigt werden.
Der entscheidende Hinweis der Prüfer schließlich lautet, dass die Umweltfreundlichkeit von Biokraftstoffen überschätzt wird. Für Biokraftstoffe sind Rohstoffe erforderlich. Durch deren Erzeugung können Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten, und die Produktion kann sich nachteilig auf die biologische Vielfalt, die Boden- und die Wasserqualität auswirken. Es stellt sich unweigerlich die ethische Frage, ob die Erzeugung von Kraftstoffen Vorrang vor der Erzeugung von Lebensmitteln haben sollte.
- Sonderbericht 29/2023 des Europäischen Rechnungshofs: „EU-Förderung für nachhaltige Biokraftstoffe im Verkehrssektor: Der künftige Weg ist ungewiss“:
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Da die CO2-Emissionen von Verbrennungsmotoren faktisch nicht verringert wurden bzw. dies nicht möglich ist, scheinen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge die einzige praktikable Alternative zu sein. Die Prüfer sehen jedoch sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite Probleme, die es unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass die EU ihren Grünen Deal und ihre industrielle Souveränität ohne Weiteres unter einen Hut bekommt.
Elektrofahrzeuge: eine Zwickmühle für die EU
Die Prüfer stellten fest, dass die europäische Batterieindustrie im globalen Wettbewerb zurückgeblieben ist. Dies könnte einen vollständigen Aufbau der Kapazitäten in der EU im Keim ersticken. Weniger als 10 % der weltweiten Batterieherstellung erfolgen in Europa, und zumeist handelt es sich bei den Herstellern um außereuropäische Unternehmen. Weltweit produziert China mit 76 % den Löwenanteil. „Elektroautos können in der Tat zu einem doppelten Dilemma für die EU werden: zwischen ökologischen Prioritäten und Industriepolitik und zwischen Umweltzielen und den Kosten für die Verbraucher“, so Annemie Turtelboom, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs.
Ein besonderes Hindernis für die Batterieindustrie der EU stellt ihre starke Abhängigkeit von Rohstoffeinfuhren aus Drittländern dar, mit denen sie keine geeigneten Handelsabkommen geschlossen hat. So stammen 87 % der Rohlithium-Importe in die EU aus Australien, 80 % der Mangan-Importe aus Südafrika und Gabun, 68 % des Rohkobalts aus der Demokratischen Republik Kongo und 40 % des Graphits aus China. Die Abhängigkeit von Einfuhren von stark nachgefragten Rohstoffen führt nicht nur zu Kostenzwängen. Darüber hinaus sind viele der Ursprungsländer innenpolitisch instabil oder stellen für die strategische Autonomie Europas sogar geopolitische Risiken dar – ganz zu schweigen von den sozialen und ökologischen Bedingungen, unter denen diese Rohstoffe abgebaut werden.
Die Prüfer betonten ferner, dass die Kosten für in der EU hergestellte Batterien trotz umfangreicher öffentlicher Unterstützung nach wie vor viel höher sind als geplant. Dies wirkt sich unweigerlich auf ihre Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen globalen Akteuren aus und kann auch dazu führen, dass sich europäische Elektrofahrzeuge für den Großteil der Bevölkerung als unerschwinglich erweisen. Seit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts der EU-Prüfer über Batterien scheint der Verkauf neuer Elektroautos in Europa erheblich zugenommen zu haben (1,5 Millionen Zulassungen im vergangenen Jahr bzw. ein Siebtel aller Neuzulassungen). Jüngste Studien haben jedoch gezeigt, dass diese Verkäufe öffentlich subventioniert wurden und größtenteils in der Preisklasse von mehr als 30 000 Euro lagen. Ein erheblicher Teil dieser Kosten entfällt auf die Batterien: in Europa durchschnittlich bis zu 15 000 Euro. Kurz gesagt, wenn bei den Kapazitäten und der Wettbewerbsfähigkeit der EU keine klare Verbesserung erzielt wird, besteht die Gefahr, dass die „Elektroauto-Revolution“ in Europa auf Importe angewiesen ist und sich letztlich nachteilig auf die europäische Automobilindustrie mit ihren mehr als 3 Millionen Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe auswirkt.
- Sonderbericht 15/2023 des Europäischen Rechnungshofs: „EU-Industriepolitik im Bereich Batterien: Neuer strategischer Impuls erforderlich“:
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Ladepunkte: zu wenige und zu weit voneinander entfernt
Eine Voraussetzung für Elektromobilität ist eine ausreichende Ladeinfrastruktur. In der Praxis stellt jedoch der Zugang zur Elektromobilität für viele Europäer, die möglicherweise mit Elektroautos liebäugeln, nach wie vor eine Hürde dar. „Die EU hat nicht viele Trümpfe auf der Hand, wenn es um die Elektrifizierung ihrer Fahrzeugflotte geht: Der Zugang zu Rohstoffen, die von der Industrie und den Bürgern zu tragenden Kosten sowie fehlende Infrastruktur könnten dazu führen, dass sie ihren Einsatz verspielt,“ sagt Annemie Turtelboom, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs.
In einem Bericht über die Ladeinfrastruktur in der EU aus dem Jahr 2021 stellten die Prüfer fest, dass es trotz Erfolgen wie der Förderung eines EU-Standardsteckers für das Aufladen von Elektroautos nach wie vor schwierig ist, die EU mit Elektroautos zu durchqueren. Erstens fehlen Ladepunkte in der gesamten EU. Deren Anzahl lag zum Zeitpunkt der Prüfung weit unter dem Zielwert von einer Million Einheiten bis 2025. Zweitens ist die Verfügbarkeit öffentlicher Ladestationen von Land zu Land sehr unterschiedlich. Diese sind im Osten Europas besonders selten: 70 % der Ladepunkte befinden sich in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Schließlich betonten die Prüfer, dass Reisen mit Elektroautos durch Europa noch lange nicht einfach sind, da Echtzeit-Informationen und ein harmonisiertes Zahlungssystem fehlen.
- Sonderbericht 05/2021 des Europäischen Rechnungshofs: „Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge: mehr Ladestationen, aber deren ungleichmäßige Verteilung macht das Fahren innerhalb der EU schwierig“: Zum Sonderbericht
Ein langer und steiniger Weg
Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge sind entscheidend beim ehrgeizigen Streben Europas nach einer emissionsfreien Fahrzeugflotte. Die EU muss den Grünen Deal jedoch nicht nur mit ihrer industriellen Souveränität in Einklang bringen, sondern auch die finanzielle Belastung für die Verbraucher berücksichtigen. Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die europäische Industrie Elektroautos in großem Maßstab zu wettbewerbsfähigen Preisen herstellen kann, während gleichzeitig die Versorgung mit Rohstoffen gesichert ist und die Ladeinfrastruktur auf dem gesamten Kontinent verbessert wird.
(Quelle: Pressemitteilung des Europäischen Rechnungshofes)
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