Trotz hoher Belastungen: Unternehmen stehen hinter der Energiewende
Schwache Konjunktur, hohe Energiepreise, zu viel Bürokratie. Trotz einer insgesamt angespannten Lage in der Wirtschaft befürworten 85 Prozent der Unternehmen in Deutschland die Energiewende. Und fast vier von fünf (79 Prozent) unterstützen das Vorhaben der EU, Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsraum weltweit zu machen. Das hat eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 500 Unternehmen ab 20 Mitarbeitenden ergeben.
„Die deutsche Wirtschaft steht nahezu geschlossen hinter der Energiewende“, sagte Dr. Michael Fübi, bei Vorstellung der „TÜV Sustainability Studie 2024“ in Berlin. „Die Energiewende ist aber auch eine enorme organisatorische und finanzielle Belastung für die Unternehmen. Für ihre Investitionen brauchen sie Planungssicherheit und klare Rahmenbedingungen.“ Laut Umfrage bezeichnen 52 Prozent der Unternehmen die finanziellen Belastungen durch die Umstellung auf erneuerbare Energien als „sehr hoch“. Gut die Hälfte der Unternehmen (55 Prozent) beklagt die hohen regulatorischen Anforderungen, die für das Erreichen der Klimaziele an sie gestellt werden. Und fast jedes fünfte Unternehmen (19 Prozent) sieht sich wegen der Energiewende sogar in seiner Existenz bedroht. Auf der anderen Seite gibt ein Drittel (33 Prozent) an, dass ihr Unternehmen unter dem Strich von der Energiewende profitiert. Für 34 Prozent eröffnet die Energiewende ein hohes Innovationspotenzial und für 21 Prozent erschließen sich neue Absatzmärkte. Fübi: „In der aktuell schwierigen konjunkturellen Lage brauchen die Unternehmen einen klaren wirtschafts- und energiepolitischen Kompass von der Bundesregierung.“
Laut den Ergebnissen der Studie sind die Unternehmen bei der Umsetzung der Energiewende bereits gut vorangekommen. Gut zwei von drei (69 Prozent) haben in den vergangenen fünf Jahren Maßnahmen zur Umstellung ihrer Energieversorgung und einer höheren Energieeffizienz umgesetzt, weitere 12 Prozent haben konkrete Pläne dafür. Große Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden sind mit einem Anteil von 81 Prozent die Vorreiter, gefolgt von mittleren Unternehmen (50 bis 249 Mitarbeitende) mit 75 Prozent. Kleinere Unternehmen mit 20 bis 49 Mitarbeitenden liegen bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen mit 65 Prozent unter dem Schnitt. Der mit Abstand wichtigste Schritt ist der Umstieg auf erneuerbare Energieträger wie Sonne, Wind, Wasser oder Erdwärme: Fast drei Viertel der Unternehmen (74 Prozent) nutzen erneuerbare Energie, weitere 16 Prozent planen den Umstieg oder die intensivere Nutzung. Laut Schätzung der Befragten liegt der Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch der Unternehmen im Schnitt bei 35 Prozent.
Weitere Maßnahmen sind der Einsatz effizienterer Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme, die 59 Prozent installiert haben (17 Prozent planen das). Gut jedes zweite Unternehmen (52 Prozent) setzt auf die Herstellung oder Nutzung energieeffizienter Produkte und Anlagen. 44 Prozent führen Energieaudits durch, mit denen der Energieverbrauch des Unternehmens systematisch analysiert werden kann. Aus der Untersuchung lassen sich konkrete Energiesparmaßnahmen ableiten. 40 Prozent schulen ihre Mitarbeitenden zu Nachhaltigkeitsthemen und 30 Prozent haben ein Energiemanagementsystem eingerichtet, das den Energieverbrauch effizient steuern und reduzieren soll. „Die Unternehmen sind bei der Umsetzung energieeffizienter Maßnahmen auf einem guten Weg“, sagte Fübi. „Nachholbedarf haben kleinere und mittlere Unternehmen, die nicht über große finanzielle und personelle Ressourcen verfügen und daher entsprechende Unterstützung bei der Energiewende benötigen.“ Als größtes Hindernis auf dem Weg zu höherer Energieeffizienz nennen 70 Prozent der Unternehmen die hohen Kosten. Es folgt mit 63 Prozent der hohe bürokratische Aufwand. Fast die Hälfte (45 Prozent) beklagt fehlende staatliche Förderungen oder sonstige finanzielle Anreize. Und 43 Prozent hatten Probleme, geeignete technische Dienstleister zu finden. Nur 9 Prozent hatten keinerlei Probleme. Fübi: „Hohe Kosten, komplizierte Verfahren und der Fachkräftemangel schlagen auch bei der Umsetzung der Energiewende durch.“
Sorge vor Versorgungsengpässen als Folge der Energiewende
Trotz der insgesamt hohen Zustimmung für die Energiewende sind viele Unternehmen in Sorge. Gut zwei von drei (69 Prozent) befürchten, dass es als Folge der Energiewende zu Versorgungsengpässen, Störungen oder sogar Ausfällen kommen könnte. „Das deutsche Stromnetz kommt mit der Energie- und Verkehrswende an seine Belastungsgrenze“, sagte Fübi. „Die Netze müssen zügig ausgebaut und digitalisiert werden, um die Netzstabilität bei einer zunehmend dezentralen und fluktuierenden Energieerzeugung auch in Zukunft gewährleisten zu können.“ Die befragten Unternehmen richten klare Forderungen an die Politik, um die Energiewende voranzutreiben und grüne Technologien am Standort Deutschland zu fördern. An der Spitze stehen schnellere Genehmigungsverfahren, die 95 Prozent als wichtig oder sehr wichtig für den Erfolg der Energiewende erachten. An zweiter Stelle stehen Forschungs- und Entwicklungsprogramme (89 Prozent). 87 Prozent halten Steuervergünstigungen und andere finanzielle Anreize für wichtig und 82 Prozent direkte Förderungen oder Subventionen. Geeignete rechtliche Rahmenbedingungen halten 70 Prozent der Befragten für wichtig.
Aus Sicht des TÜV-Verbands geht es jetzt vor allem darum, die bereits beschlossenen regulatorischen Maßnahmen umzusetzen. So zielt das Gesetz zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie darauf ab, Verfahren zu vereinfachen. Das gilt insbesondere für Windkraftanlagen, für die so genannte Beschleunigungsgebiete ausgewiesen werden können. Hier können die Genehmigungszeiten deutlich verkürzt werden. Das gleiche gelte für den Energieträger Wasserstoff. Mit einem eigenen Beschleunigungsgesetz und einer Importstrategie setzt die Bundesregierung wichtige Impulse für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. „Für den Aufbau der H2-Infrastruktur braucht es einheitliche Sicherheits- und Qualitätsstandards“, betonte Fübi. „Die Bundesregierung sollte sich intensiv dafür einsetzen, dass international harmonisierte Normen und Standards in der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette etabliert werden.“
Ein großer Hemmschuh für den Aufbau eines nachhaltigen Energiesystems sind aus Sicht des TÜV-Verbands fehlende finanzielle Mittel als Folge der Haushaltskrise. Die Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollen drastisch sinken. „Die Kürzungen senden das falsche Signal an Unternehmen und Bürger:innen, die in saubere Energien, leistungsfähige Netze und klimaneutrale Produktion investieren wollen“, sagte Fübi. Darüber hinaus fehlten die Mittel, um die stark mittelständisch und von Startups geprägte Green-Tec-Branche stärker fördern zu können. Fübi: „Wir brauchen klare finanzielle Anreize, mehr grünes Wagniskapital und regionale Kompetenzzentren, in denen sich Unternehmen unterschiedlicher Größe untereinander und mit Forschungseinrichtungen und Kapitalgebern vernetzen können.“
Den vollständigen Studienbericht der „TÜV Sustainability Studie 2024“ und eine Präsentation können Sie sich nachfolgend herunterladen:
(Quelle: Presseinformation des TÜV-Verbandes e. V.)
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