Verklebte Stahlbewehrungen: 50 Jahre alt und so gut wie neu
Bereits seit 1970 läuft an der Empa in Dübendorf ein weltweit einzigartiger Versuch, bei dem das Langzeitverhalten von verklebten Stahlbewehrungen an einem Betonträger untersucht wird. Untersuchungen wie diese haben dazu beigetragen, dass die Klebebewehrung als Verstärkungsmethode heute Stand der Technik ist und die Ingenieure Vertrauen in diese Bauweise haben.
Seit einem halben Jahrhundert läuft im größten Prüflabor der Empa am Standort Dübendorf ein Dauerexperiment. Dabei handelt es sich um einen 1970 hergestellten Stahlbetonträger, der mit einer auf seiner Unterseite aufgeklebten Stahllamelle zusätzlich verstärkt worden war und seitdem einer permanenten Belastung von etwas mehr als sechs Tonnen ausgesetzt ist. „Nach 50 Jahren unter 87 Prozent der mittleren Bruchlast zeigt die Epoxidharz-Verklebung keine Schwächen. Somit haben geklebte Stahllamellenbewehrungen den Langzeittest bestanden“, sagt der Ingenieur Christoph Czaderski, der den Versuch in den letzten Jahren betreut hat.
Der Träger ist eines von ursprünglich sechs identischen Exemplaren, die alle unterschiedlichen Tests unterzogen wurden. Den fünf „Brüdern“ und „Schwester“ war allerdings kein so langes Leben beschieden. Sie fielen recht erfolgreichen statischen Bruch- und dynamischen Ermüdungsversuchen zum Opfer, bei denen ihre Belastungsgrenze überschritten wurde. Ziel der Tests war es herauszufinden, wie gut sich Epoxidharz als Kleber zur Befestigung einer Stahllamelle an einem Betonträger bewährt. Beim Langzeitversuch zeigen sich nach 50 Jahren gemäss Czaderski in der Klebefuge „praktisch keine Verschiebungen“.
Nachträglich verstärken statt neu bauen
Hintergrund dieser Arbeiten war, dass Ende der 1960er-Jahre bei einem neuen Industriebau in Kreuzlingen an diversen Sheddach-Fertigelementen aus Stahlbeton ungewöhnliche Rissbildungen auftraten. Diese wurden von einem Maler beim Streichen entdeckt. Zur Behebung des Schadens wurden die Elemente durch das Aufkleben von dünnen Stahllamellen nachträglich verstärkt. Diese Technik war damals allerdings erst in Ansätzen bekannt, Erfahrungen damit – vor allem über die Langzeitstabilität – fehlten. Die damalige Abteilung „Massivbau“ der Empa unternahm daher verschiedene Tests mit statischen Belastungen bis zum Bruch, einem dynamischen Ermüdungsversuch und Langzeituntersuchungen. Der Langzeitversuch sollte bei einer dafür überdimensionierten Belastung ursprünglich eigentlich nur wenige Monate dauern.
Und er trägt immer noch
Heute, 50 Jahre nach dem Start der Untersuchung, befindet sich der Träger noch immer in der Prüfhalle der Empa in Dübendorf. Die beteiligten Ingenieure befürchteten, als sie den Versuch starteten, dass sich die Verstärkungswirkung des aufgeklebten Stahls durch das Kriechen in der Klebefuge mit der Zeit verringern könnte. Eine Befürchtung, die sich nicht bewahrheitet hat. In der Klebefuge haben bis heute keine wesentlichen Verschiebungen stattgefunden, ein „wirklich erstaunliches und ausgesprochen bedeutsames Ergebnis, meint Christoph Czaderski. „Das ‚Bauwerk Schweiz‘ ist heute mehr oder weniger gebaut. Wegen Alterung und höheren Anforderungen muss dieses aber laufend Instand gehalten oder sogar verstärkt werden, da Abbruch und Neubauten zu teuer wären und sehr viel mehr CO2 produzieren würden“. Deshalb sei die Entwicklung einfacher und günstiger Verstärkungsmethoden enorm wichtig für Gesellschaft, Wirtschaft und vor allem für die Eigentümer der Bauwerke.
Die Empa-Abteilung „Ingenieur-Strukturen“ entwickelt und erforscht daher schon seit vielen Jahren neue, einfache und günstige Verstärkungsmethoden mit modernen Materialien wie Epoxidharzen, Kohlefaserverstärkten Kunststoffen und Formgedächtnislegierungen. Der Langzeitversuch an den mit aufgeklebten Stahllamellen verstärkten Stahlbetonteilen ist ein typisches Beispiel dafür. Die an der Empa durchgeführten Studien und der weltweit einzigartige Langzeitversuch an mit Epoxidharz-Kleber befestigten Stahllamellen haben dazu beigetragen, dass die Klebebewehrung als Verstärkungsmethode heute Stand der Technik ist und die Ingenieure Vertrauen in diese Bauweise haben.
(Quelle: Empa, Autor: Remigius Niederöst)
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