Forschung
© Fraunhofer IPA/SLV-Nord, Foto: Verena Barth
21.03.2022

EXOWORKATHLON 2022 auf dem Elbcampus

EXOWORKATHLON 2022 auf dem Elbcampus

In der Nähe des Bahnhofs Hamburg-Harburg liegt der architektonisch beeindruckende Elbcampus, das Bildungs- und Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Hamburg. Zum Campus gehört auch die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Nord (SLV-Nord). Hier fand vom 21. bis 25. Februar 2022 zum dritten Mal das so genannte EXOWORKATHLON statt. Das erste wurde im Oktober vorigen Jahres auf der Exoskelett-Konferenz WearRAcon Europe in Stuttgart organisiert.

Ein EXOWORKATHLON ist eine wissenschaftliche Life-Studie, in der die Ingenieure Ines und Marco Schalk den gesundheitlichen und vorbeugenden Nutzen von Exoskeletten für schwere körperliche Arbeit untersucht. Für ihre Datengewinnung nutzen sie medizinische Methoden zur Diagnostik der Herzparameter, die für diesen Zweck bisher noch nicht üblich waren. Die beiden arbeiten in den Abteilungen Biomechatronische Systeme des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und Mensch-Technik-Interaktion des Instituts für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart.

Exoskelette sollen Muskel- und Skeletterkrankungen vorbeugen

„Unser Ziel ist es, den Nachweis zu erbringen, dass ein Exoskelett während einer schweren körperlichen Tätigkeit auch wirklich eine Entlastung bringt“, erklärte Marco Schalk während der Harburger Studie. Exoskelette sollen schließlich der gesundheitlichen Prävention dienen. „Das gilt vor allem für die frühzeitige Vorbeugung von Muskel- und Skeletterkrankungen schon bei jungen Menschen. Solche Erkrankungen nehmen im Alter bei Berufsgruppen zu, bei denen schwere körperliche Arbeit alltäglich ist, die zu einem frühen Ausscheiden aus dem Berufsleben führt.“

Die Ingenieure Ines und Marco Schalk untersuchen den gesundheitlichen und vorbeugenden Nutzen von Exoskeletten für schwere körperliche Arbeit. - © Fraunhofer IPA/SLV-Nord, Foto: Verena Barth
Die Ingenieure Ines und Marco Schalk untersuchen den gesundheitlichen und vorbeugenden Nutzen von Exoskeletten für schwere körperliche Arbeit. © Fraunhofer IPA/SLV-Nord, Foto: Verena Barth

Um das zu messen, nutzt Marco Schalk eine Methode aus der medizinischen Diagnostik des Herz-Kreislauf-Systems. Denn konventionelle Verfahren zur Leistungsbestimmung, wie Muskelaktivität und Lungenfunktion, sind im Betriebsablauf nicht anwendbar. Stattdessen misst der Medizintechnik-Ingenieur bei seinen Probanden während der Probearbeiten laufend die Blutfluss beschreibenden Parameter und die Änderungen der Reizleitung des Herzens. Dazu bringt er auf der Haut der Testteilnehmer Elektrodenpaare an Hals, Rippenbogen an. Dünne Drähte leiten die Impulse zur Datensammlung auf Laptops, damit sie später im Labor in Stuttgart ausgewertet werden können.

Man muss ein Exoskelett tragen wollen

Ines Schalk dagegen legt ihren Schwerpunkt auf die kognitiven und psychischen Effekte bei schwerer körperlicher Arbeit. „Ein Exoskelett kann noch so viel Erleichterung bringen – wenn die Personen, die es tragen sollen, es aber nicht gut finden, dann nützt es nichts“, sagte die Sportwissenschaftlerin mit Fokus auf Biomechanik. „Die Menschen müssen so ein Exoskelett akzeptieren und nutzen wollen. Da zählt eben das subjektive Befinden.“ Das erfährt sie aus Antworten auf Fragebögen. Darin beschreiben die Probanden, wo sie beispielsweise Druckstellen empfanden, was an dem Gerät für sie angenehm war oder welche Verbesserungsvorschläge sie hätten.

Ein Exoskelett kann noch so viel Erleichterung bringen – wenn die Personen, die es tragen sollen, es aber nicht gut finden, dann nützt es nichts. - © Fraunhofer IPA/SLV-Nord, Foto: Verena Barth
Ein Exoskelett kann noch so viel Erleichterung bringen – wenn die Personen, die es tragen sollen, es aber nicht gut finden, dann nützt es nichts. © Fraunhofer IPA/SLV-Nord, Foto: Verena Barth
Tests an drei Schweißsimulatoren

In Hamburg-Harburg hatten sich 28 Auszubildende aus großen metallverarbeitenden Unternehmen für die Forschung zur Verfügung gestellt. An drei Schweißsimulatoren, virtuellen Schweißtrainern, konnten sie verschiedene Exoskelette während schwieriger Schweißarbeiten anwenden. Statt durch eine Sichtscheibe in ihrem Schutzschild, schauten die jungen Schweißer jedoch auf einen integrierten Bildschirm, der ihnen sehr genau das Schweißgerät und die Naht zeigte, an der sie arbeiteten. Wie beim echten Schweißen sahen sie, wie die Schweißnaht wuchs, aber auch jeden Fehler und jede Abweichung von der Idealnaht. Anschließend glätteten sie ihre Schweißnaht ebenfalls an einem vom Fraunhofer IPA entwickelten Prüfstand, der die beim Schleifen auftretenden Belastungen mit einem präparierten Winkelschleifer simuliert.

In Wirklichkeit hielten die Auszubildenden aber eine nachempfundene MAG-Schweißpistole in der Hand, mit der sie sich langsam entlang einer senkrechten Rille in einem einfachen, blauen Kunststoffbrett bewegten. Auf die Platte und den Handgriff des Schweißgeräts waren QR-Codes aufgedruckt, die dem Rechner für die virtuelle Realität als Navigation diente. Den nur mit einer Kunststoffscheibe ausgestatteten, präparierten Winkelschleifer bewegten sie auf dem genannten Prüfstand daneben.

An den virtuellen Schweißständen mussten die Probanden eine Stunde lang in durchaus unbequemen, anstrengenden Positionen arbeiten: direkt vor dem Gesicht und über Kopf. Sie absolvierten zwei Runden: Einmal mit einem Exoskelett, einem Gurtsystem, das wie ein Rucksack umgeschnallt wurde und die Arme unterstützte, das zweite Mal ohne diese Unterstützung. Zwischen den beiden Runden gab es eine Stunde Pause.
Am Ende eines jeden Durchgangs füllten die Versuchsteilnehmer einen Fragebogen aus, in dem sie beschrieben, wie sie die Belastungen oder Erleichterungen empfanden und welchen Einfluss das Exoskelett auf ihr subjektives Befinden hatte.

Tom, Jan Niklas und Lukas waren drei von ihnen. Tom war regelrecht begeistert: „Mit so einem Exoskelett könnte ich einfach noch drei Stunden weiter schweißen.“ „Ich finde, das Exoskelett ist eine gute Sache“, fand auch Jan Niklas. „Wenn man kopfüber schweißt, entlastet das die Arme schon sehr.“ Nicht ganz so zufrieden war er jedoch mit der virtuellen Umgebung. „Wenn man durch eine normale Schutzscheibe guckt, kann man den Abstand der Elektrode von der Schweißnaht besser einschätzen.“ Das fand auch Lukas: „Der Abstand ist nicht klar.“ Aber er war auch nicht besonders glücklich mit seinem Exoskelett: „Es war zwar ein bisschen leichter, die Arme hoch zu halten, aber über dem Kopf zu arbeiten war nicht unbedingt einfacher.“

© Fraunhofer IPA/SLV-Nord, Foto: Verena Barth
© Fraunhofer IPA/SLV-Nord, Foto: Verena Barth

Warum das EXOWORKATHLON im vergangenen Februar ausgerechnet in Hamburg-Harburg stattfand, erklärte André Quedzuweit, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei SLV-Nord: „Wir sehen es als unseren klaren Auftrag, uns an Forschung und Weiterentwicklung zu beteiligen. Zumal wir aufgrund unserer Vernetzung hier in Hamburg sehr gute Kontakte haben und die Forschung deshalb mit vielen Probanden unterstützen können.’ Hinzu käme, das gerade große Firmen auch an der Technik des virtuellen Schweißens sehr interessiert seien, genauso wie an der Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Denn gerade ihnen sollen ja die Exoskelette helfen, gesund zu bleiben.

Weitere Informationen erhalten Sie hier:

https://www.slv-nord.de

https://www.ipa.fraunhofer.de

https://www.ipa.fraunhofer.de/de/Kompetenzen/biomechatronische-systeme.html

Kontakt:

Ines Schalk
Telefon +49 711 970-1421
E-Mail: ines.schalk@ipa.fraunhofer.de

Marco Schalk
Telefon +49 711 970-1577
E-Mail: marco.schalk@ipa.fraunhofer.de

(Autor: Hanns-J. Neubert, Wissenschaftsjournalist)

Schlagworte

ArbeitsschutzGesundheitsschutzManuelles SchweißenSchweißtechnik

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