Trendthema
Brachliegendes Potenzial: Eine Studie des KIT zeigt auf, wie die Lernfabriken an berufsbildenden Schulen besser genutzt werden können. - © Gewerbliche Schule Göppingen
12.12.2023

Industrie 4.0: Neue Horizonte für die Qualifizierung von Fachkräften

Industrie 4.0: Neue Horizonte für die Qualifizierung von Fachkräften

Was können sogenannte Lernfabriken 4.0 für die Weiterbildung von Fachkräften leisten? Sehr viel – wenn Lehrkonzepte und Rahmenbedingungen stimmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Berufsschulen und Unternehmen sollten weitaus enger als bisher zusammenarbeiten, so die Autorinnen und Autoren, zum Beispiel bei der Passung der Angebote und bei deren Bewerbung. Zugleich fordern sie eine verbesserte Einbindung der Weiterbildungen in den Betrieb der Berufsschulen sowie die Öffnung der Kurse für betriebliche Ausbilderinnen und Ausbilder.

Lernfabriken 4.0 gelten als Klassenzimmer der Wahl für die durchdigitalisierte, von Künstlicher Intelligenz (KI) durchzogene Produktion der nahen Zukunft. Angesiedelt in Betrieben oder Berufsschulen, bilden Lernfabriken die neuen Produktionsumgebungen anwendungsnah nach – ähnlich einem Flugsimulator in der Ausbildung von Pilotinnen und Piloten. An berufsbildenden Schulen gibt es derzeit allein in Baden-Württemberg 43 Lernfabriken.

Die am Institut für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik (IBAP) des KIT in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg entstandene, vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg geförderte Studie zeigt auf, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit dieser Einrichtungen eine große Lücke klafft: „Die Potenziale der beruflichen Lernfabriken werden bei weitem nicht ausgeschöpft, da die förderlichen Rahmenbedingungen an Berufsschulen fehlen und diese bisher von keiner Institution bei der Umsetzung von Weiterbildungsangeboten unterstützt werden“, sagt Professor Lars Windelband, Studienleiter und Inhaber der Professur für Berufspädagogik am IBAP.

© pixabay.com/Gerd Altmann
© pixabay.com/Gerd Altmann
Handlungsempfehlungen und Didaktikkonzepte für eine Reform in situ

Mittels Fallstudien sowie Gesprächen und Workshops mit Fachleuten haben die Karlsruher Forscherinnen und Forscher den aktuellen Stand des Einsatzes beruflicher Lernfabriken erfasst, Hemmnisse und Herausforderungen identifiziert, aber auch Beispiele für erfolgreiche Umsetzungen analysiert. Aufbauend auf dem Befund, dass zum einen die Rahmenbedingungen an den Berufsschulen, zum anderen die Zusammenarbeit zwischen Berufsschulen und Unternehmen unzureichend sind, geben sie fünf konkrete Handlungsempfehlungen:

  • Verändern der Rahmenbedingungen an den beruflichen Schulen, um Lehrkräfte zu entlasten und Deputate für Weiterbildungen anrechenbar zu machen
  • Öffnen der Weiterbildungen für betriebliche Ausbilderinnen und Ausbilder zwecks Verzahnung von Lehrinhalten
  • mehr Vernetzung zwischen beruflichen Schulen und Unternehmen, um die Bedarfe der Unternehmen in zielgruppengerechten Angeboten abzubilden
  • zentrale oder dezentrale Plattformen für die Verbreitung von Weiterbildungsangeboten nutzen
  • Erproben alternativer Betreibermodelle zur langfristigen Unterstützung der beruflichen Lernfabriken
Brachliegendes Potenzial: Eine Studie des KIT zeigt auf, wie die Lernfabriken an berufsbildenden Schulen besser genutzt werden können. - © Gewerbliche Schule Göppingen
Brachliegendes Potenzial: Eine Studie des KIT zeigt auf, wie die Lernfabriken an berufsbildenden Schulen besser genutzt werden können. © Gewerbliche Schule Göppingen

Zu den Gelingensbedingungen betrieblicher Weiterbildung in Lernfabriken gehören des Weiteren überzeugende Lehransätze. In dem der Studie zugrunde liegenden Projekt WB@Lernfabriken erarbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein dreistufiges didaktisches Rahmenkonzept. Zielperspektive der ersten Stufe ist es, erstes Wissen und Kompetenzen zu Industrie 4.0 bis hin zu KI überblickshaft zu vermitteln und so in der Belegschaft ein Bewusstsein für Digitalisierung, Industrie 4.0 und eine vernetzte Produktionswelt zu schaffen. Zielperspektive der zweiten Stufe ist es, technische Fachkräfte weiterzubilden, die bereits über digitale Grundkompetenzen verfügen, während auf der dritten Stufe Expertise zu konkreten betrieblichen Problemstellungen – etwa der Optimierung und Instandsetzung von Anlagen – vermittelt wird.

„Die beruflichen Lernfabriken“, resümiert Studienleiter Windelband, „stehen vor beträchtlichen strukturellen Herausforderungen. Wenn es ihnen jedoch gelingt, ihre Mehrwerte gegenüber anderen Weiterbildungsanbietern auszuspielen, können sie – gerade auch im Kontext des laufenden technologischen Umbruchs in der industriellen Produktion – jene 'Leuchttürme der Weiterbildung' sein, als die sie einst konzipiert worden sind.“


Originalpublikation:

Lars Windelband, Viktoria Bergmann, Olga Reifschneider, Daniela Reimann, Martin Schwarz: Handlungsempfehlungen zur inhaltlichen Umsetzung von Lernfabriken für die berufliche Weiterbildung. KIT Scientific Working Papers, 2023. DOI: 10.5445/IR/1000162893.

https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000162893


(Quelle: Presseinformation des KIT – Karlsruher Institiut für Technologie)

Schlagworte

DigitalisierungFachkräftemangelFachkräftequalifizierungIndustrie 4.0KI

Verwandte Artikel

21.11.2024

XL-Leichtbauroboter für flexible Automatisierung im Mittelstand.

RobCo stellt seinen ersten modularen Roboter im XL-Format vor und bedient damit zukünftig auch die Anforderungen von Unternehmen, die eine höhere Nutzlast und Reichweite...

Automation Automatisierungslösungen Fachkräftemangel KMU Mittelstand Robotik
Mehr erfahren
Dr. Andreas Patschger präsentierte die Umfrageergebnisse beim 8. Thüringer Maschinenbautag am 22.10.2024 in Erfurt.
20.11.2024

Automatisierung als Ausweg aus dem Arbeitskräftemangel?

Der Arbeitskräftemangel in Thüringen hat sich in den letzten Jahren verschärft und stellt die regionale Wirtschaft vor erhebliche Herausforderungen. Er verstärkt zudem de...

Arbeitsmarkt Automation Cobots Fachkräftemangel Maschinenbau Robotik Verarbeitendes Gewerbe
Mehr erfahren
Seit 1924 entwickelt ABB innovative Lösungen für sichere und effiziente Industrieanwendungen
18.11.2024

Vom Stotz-Automat zur Industrie 4.0

Die Anforderungen an die Effizienz von Maschinen steigen stetig. Mit mehr als einhundert Jahren an Erfahrung hat sich ABB unter anderem im Bereich Maschinensicherheit als...

Anlagenbau Industrie 4.0 Leitungsschutzschalter Maschinenbau Maschinensicherheit Niederspannung
Mehr erfahren
Rückblick auf die CADFEM Conference 2024 in Darmstadt mit über 700 Teilnehmern - hier Blick ins Plenum.
17.11.2024

Neue internationale Conference Series zu Digital Engineering

Um sich über die virtuelle Simulation auszutauschen, bietet CADFEM in 2025 eine neue Conference Series an, bei der es unter anderem um Expertenwissen und Best-Practice-Be...

Digital Engineering Digitalisierung Simulation Software
Mehr erfahren
Windenergieanlagen werden von TÜV SÜD mit KI-gestützten Drohnen effizienter inspiziert.
14.11.2024

Effizientere Prüfung von Windenergieanlagen mit Industrial Drone Inspections IDIAI

TÜV SÜD setzt auf KI und den Einsatz von Drohnen, um visuelle Inspektionen von Windenergieanlagen effizienter zu machen.

Drohnentechnologie Inspektion KI Qualitätssicherung Windenergie
Mehr erfahren