Sechs Tipps zur Mitarbeiterführung nach dem Lockdown
Mit der Lockerung des Lockdowns kehren viele Beschäftigte, die bisher in Kurzarbeit waren oder im Homeoffice gearbeitet haben, wieder an ihre „normalen“ Arbeitsstätten zurück – oft mit gemischten Gefühlen. Das kann das Führen der Mitarbeiter erschweren.
Die Lebenswelten der Mitarbeiter von Unternehmen sind unterschiedlich, auch ihre biografisch bedingten Erfahrungen und Wertesysteme. Deshalb reagieren sie auf dieselben Ereignisse emotional sehr verschieden, was sich gerade in Ausnahmesituationen wie der Corona-Krise zeigt: Während die einen – überspitzt formuliert – in den zurückliegenden Wochen und Monaten auch wegen der Bilder aus italienischen Kliniken ihr baldiges Lebensende befürchteten, genossen andere die Lockdown-bedingte Auszeit und das schöne Wetter und dachten: Auch diese Krise geht vorüber.
Mit diesen Gefühlsextremen wurden die Personalverantwortlichen bzw. Führungskräfte in den Wochen des Lockdowns meist nur mittelbar konfrontiert, denn häufig waren ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit oder im Homeoffice tätig. Doch nun kehren sie zunehmend wieder an ihren Arbeitsplatz im Betrieb zurück. Nachfolgend einige Tipps für Vorgesetzte, wie die Mitarbeiterführung in dieser komplexen Situation gelingen kann.
Tipp 1: Machen Sie sich die Unterschiedlichkeit der Lebens- und Erfahrungswelt der „Rückkehrer“ bewusst.
Manche „Rückkehrer“ freuen sich darauf, nach längerer Abwesenheit an ihren regulären Arbeitsplatz zurückzukehren, andere wiederum haben gemischte Gefühle, wenn nicht gar Angst – zum Beispiel:
- weil sie sich vor einer Infektion am Arbeitsplatz fürchten,
- weil zu Hause ihre Kinder sind, deren Schulen noch geschlossen sind, oder
- weil sie sich fragen: Wie geht im Betrieb weiter? Welche Veränderungen kommen auf mich zu? Droht eventuell sogar Arbeitslosigkeit?
Führungskräfte sollten sich die Unterschiedlichkeit des Lebens und Erlebens ihrer Mitarbeiter bewusst machen, denn nur dann können sie angemessen darauf reagieren.
Tipp 2: Stellen Sie sich darauf ein, dass Spannungen entstehen und zuweilen die Emotionen hochkochen.
Nicht selten wird das unterschiedliche Wahrnehmen und Empfinden zu Spannungen in der Belegschaft führen. So berichten Personalverantwortliche zum Beispiel, dass die Mitarbeiter ihrer Unternehmen kontrovers darüber debattieren, inwieweit in der Nach-Corona-Zeit ein Arbeiten im Homeoffice noch möglich sein sollte. Oder dass die Produktionsmitarbeiter sich verärgert darüber zeigen, dass sie schon wieder im Betrieb „antanzen“ müssen, während die Büromitarbeiter noch im Homeoffice sind.
Auf solche Debatten müssen sich die Führungskräfte und Personalabteilungen einstellen; außerdem darauf, dass die Mitarbeiter emotional sensibler als in der Zeit vor dem Lockdown reagieren.
Tipp 3: Rechnen Sie damit, dass Mitarbeiter ihre Gefühle nicht offen zeigen, sondern „Scheingefechte“ führen.
Mitarbeiter wissen meist aus Erfahrung: Wenn eine Person in Unternehmen Gefühle zeigt, wird dies von ihren Gesprächspartnern oft als Schwäche interpretiert. Daher bemühen sie sich, am Arbeitsplatz wenig emotionale Betroffenheit zu zeigen. Sie verbergen ihre Empfindungen hinter scheinbar rationalen Argumenten.
Deshalb wird in Unternehmen oft endlos über Kleinigkeiten diskutiert. Und wenn die Personen ihre Ziele so nicht erreichen? Dann versuchen sie dies häufig über Umwege – zum Beispiel, indem sie bewusst Beschlüsse fehlinterpretieren und Aufgaben vergessen. Führungskräfte sollten mit einem solchen Ausweichverhalten ihrer Mitarbeiter rechnen.
Tipp 4: Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Mitarbeitern und zeigen Sie ihnen, dass Sie ihre Bedenken ernst nehmen.
Die Gefahr, dass Mitarbeiter ein Ausweichverhalten zeigen, ist umso größer, je unsicherer die Situation in ihren Augen ist. Vorgesetzte sollten deshalb aktiv das Gespräch mit ihren Mitarbeitern suchen und möglichst offen darüber sprechen, in welcher Situation sich das Unternehmen befindet und was dies für sie bedeutet. Führungskräfte sollten dazu stehen, dass auch sie nur Menschen aus Fleisch und Blut sind, zum Beispiel, indem sie zu den Mitarbeitern sagen: „Auch ich stehe momentan unter Druck. Legt deshalb bitte nicht jedes Wort und jede unwirsche Reaktion von mir auf die Goldwaage.“
Sinnvoll ist es zudem, den Mitarbeitern immer wieder zu verdeutlichen, dass auch die Top-Entscheider im Unternehmen in dieser Situation nur bedingt wissen, wie es weitergeht und dass sie sozusagen auf Sicht fahren. Dies sollte man speziell dann thematisieren, wenn Planungen und Vorhaben mal wieder über Bord geworfen werden. Sonst schürt dies die Ängste und den Unmut der Mitarbeiter.
Tipps 5: Machen Sie sich klar, dass es auch Ihre Aufgabe als Führungskraft ist, den Mitarbeitern einen emotionalen Halt zu bieten.
In manchen Branchen gehen die Top-Entscheider davon aus, dass die Umsätze ihrer Unternehmen langfristig um 20 oder gar 30% sinken. Deshalb diskutieren sie in ihren Meetings unter anderem auch darüber, ob bestimmte Geschäftsbereiche geschlossen werden oder Mitarbeiter entlassen werden müssen. Dies kommunizieren die Top-Manager jedoch noch nicht öffentlich (auch nicht an die ihnen nachgeordneten Führungskräfte), weil ein vorzeitiges Publikwerden ihrer Erwägungen negative Folgen für das Unternehmen haben könnte – zum Beispiel für dessen Kundenbeziehungen, Image, Finanzierungsmöglichkeiten usw.
Daher können Führungskräfte in einer „Sandwich-Position“ solche Pläne nicht gänzlich ausschließen. In den Gesprächen mit ihren Mitarbeitern sollten sie dazu stehen, dass sie nicht mit hundertprozentiger Sicherheit wissen, wie es weitergeht; sollten aber versprechen: „Ich informiere euch über alle Sachverhalte, die euch betreffen, so früh es mir möglich ist.“
Dabei müssen sie sich bewusst machen, dass es auch ihre Aufgabe als Führungskraft ist, den verunsicherten Mitarbeitern Halt zu bieten. Sie sollten also im Mitarbeiterkontakt, soweit möglich, die Zuversicht ausstrahlen: „Wir schaffen es, wenn …“ Das erfordert zuweilen eine gewisse Schauspielerei. Bei öffentlichen Verlautbarungen sollte aber wenn irgend möglich bei der Wahrheit geblieben werden, auch um die eigene Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren.
Tipp 6: Machen Sie sich Ihr Wertesystem bewusst und reflektieren Sie regelmäßig Ihr Verhalten.
Wichtig ist es in den kommenden Wochen und Monaten, dass Führungskräfte – gerade weil sie selbst unter Druck stehen – regelmäßig reflektieren:
- Was ist mein Wertesystem und was kennzeichnet meine Lebens- und Arbeitssituation? Und:
- Wodurch unterscheiden sich diese von meinem Gegenüber?
Sonst ist die Gefahr groß, dass sie auf irritierende Verhaltensweisen oder emotionale Äußerungen ihres Gegenübers irrational oder mit Killerphrasen reagieren wie: „Nun regen Sie sich mal nicht so auf“. Solche Aussagen verletzen das Gegenüber. Sie zerstören letztlich das, was sich Führungskräfte von ihren Mitarbeitern wünschen: Identifikation mit ihrer Aufgabe sowie dem Unternehmen und die Bereitschaft, sich hierfür zu engagieren.
Wichtig ist eine Reflektion des eigenen Wertesystems für Führungskräfte auch, damit sie einen inneren Kompass haben, um ihr Verhalten zu reflektieren und bei Bedarf neu zu justieren. Denn klar ist: Mit Situationen und Herausforderungen, mit denen Führungskräfte nicht gerechnet haben, werden sie in der kommenden Zeit noch oft konfrontiert werden. Also brauchen sie einen inneren Kompass. Sonst schwanken sie nicht nur aus Mitarbeitersicht wie ein Rohr im Wind.
(Quelle: Presseinformation Die PRofilBerater GmbH, Autor: Joachim Simon, Führungskräftetrainer und -coach)
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