Mehr Strom aus Abwärme – dank neuer Kolbenmaschine
Industrielle Abwärme ist eine brachliegende Goldgrube: Sie fällt in großen Mengen an, wird aber kaum effizient genutzt. Eine neuartige Maschine von Empa-Experten und ihren Partnern, die aus einer innovativen Motorentechnologie entstand, könnte das ändern – auch mit Hilfe eines „Empa Entrepreneur Fellowship“, mit dem der Empa-Forscher und Jungunternehmer Andyn Omanovic kürzlich ausgezeichnet wurde.
Gute Ideen machen zuweilen überraschende Karrieren. Über Jahre hatten Fachleute der Empa an einer innovativen Ventilsteuerung für Verbrennungsmotoren gearbeitet – mit Hilfe von elektrohydraulisch betätigten Ventilen, die es ermöglichen, den Gaswechsel viel flexibler als bei herkömmlicher Nockenwellentechnologie zu gestalten. In einem Ottomotor ließ sich der Treibstoffverbrauch so im typischen Normalbetrieb für Personenwagen um rund 20 Prozent senken. Mittlerweile wird dieser Ansatz für treibstoffflexible Motoren von Nutzfahrzeugen zusammen mit einem LKW-Hersteller weiterentwickelt.
Doch nun könnte diese Technologie auch in einem anderen Bereich Fortschritte ermöglichen. Die Empa hat ihrem ehemaligen Doktoranden Andyn Omanovic ein „Entrepreneur Fellowship“ zugesprochen, um eine neuartige Kolbenmaschine mit dieser Steuerung auf den Markt zu bringen. Die Kommerzialisierung übernimmt die etavalve GmbH, ein Spin-off der Empa und der ETH Zürich, das vom Hydraulikexperten Wolfgang Schneider, der an der Entwicklung der Technologie mitbeteiligt war, mitgegründet wurde.
Die Idee: Abwärme aus Prozessen in der Metall- oder Zementindustrie und anderen Bereichen soll mit Hilfe der besagten Kolbenmaschine effizienter genutzt werden als mit heute gängigen Methoden, die mit Turbinen arbeiten. Da Zylinder und Kolben einen geschlossenen Raum bilden, erklärt Omanovic, erfolgen Kompression und Expansion des Prozesses in beinahe idealer Weise; das ermöglicht eine äußerst hohe Energieausbeute: Die Abwärme wird über die Kolben in mechanische Kraft umgewandelt, mit der schließlich Strom erzeugt wird. Aber erst durch die neuartige flexible Steuerung der Ventile wird dieser Prozess überhaupt umsetzbar.
„Turbinen sind vor allem für hohe Temperaturen und bei Leistungsanforderungen von mehreren hundert Megawatt effektiv“, erklärt der Empa-Forscher, „aber für Temperaturbereiche von etwa 500 bis 900 Grad, bei denen die Abwärme unregelmäßig anfällt, und bis zum Leistungsbereich von einigen Megawatt ist unsere Kolbenmaschine besser geeignet.“ Das Potenzial ist hoch: Für Deutschland wurde 2016 die Menge der industriellen Abwärme über 300 Grad auf rund 10 Terrawattstunden pro Jahr beziffert. Zum Vergleich: In der Schweiz wurden im Jahr 2022 laut dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) insgesamt rund 57 Terawattstunden Strom verbraucht.
Klimafreundliche Pflanzenkohle-Anlagen nutzen
Aussichtsreich ist dabei auch die Nutzung von Abwärme aus Pyrolyseanlagen, die Biomasse in Pflanzenkohle verwandeln, um Kohlenstoff dauerhaft zu binden – ein Verfahren, an dem auch Empa-Forschende arbeiten. Dabei fällt als Nebenprodukt so genanntes Schwachgas an, das Methan und gasförmige Schadstoffe enthält und, gesetzlich vorgeschrieben, verbrannt werden muss. „Das geschieht zuweilen oft mit einer Gasfackel ohne jegliche Verwertung der Energie“, erklärt Omanovic, „wir nutzen die Hitze, die dabei entsteht, um mit unserer Kolbenmaschine Strom zu erzeugen.“
Vor dem Schritt in die Praxis
Bis Anfang 2025 soll für die Energieversorgerin IWB in Basel, die den Aufbau von Pflanzenkohle-Anlagen in der Schweiz vorantreibt, eine Pilotmaschine entstehen – ausgelegt und realisiert eigens für die spezifischen Eigenschaften der Abwärme, die bei der Pyrolyse anfällt. Rund ein Jahr später, so die Entwickler von etavalve, soll bereits eine Kleinserie von Kolbenmaschinen an ein Unternehmen geliefert werden, das auf Anlagen für die Verbrennung von Schwachgasen aus Deponien oder der Biogasaufbereitung spezialisiert ist. Gespräche dazu sind bereits im Gange. Die Experten von etavalve sind deshalb zuversichtlich, dass ihre Technologie in absehbarer Zeit auf den Markt kommen und dort bestehen könnte – trotz Herausforderungen in technischen Details wie temperaturbeständige Materialien für die Maschine und die Regelungsstrategie für den thermodynamischen Prozess, die noch zu meistern sind. Zumal auch die Kosten-Nutzen-Kalkulationen Hoffnungen wecken. „Unsere erste Pilotmaschine lässt sich schon fast kostendeckend herstellen und betreiben“, sagt Omanovic, „das ist bei einer innovativen Technologie im aufwändigen Maschinenbau keineswegs selbstverständlich.“
(Quelle: Empa, Autor: Norbert Raabe)
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