Preisverhandlungen mit Industriekunden professionell führen
In vielen Branchen liegt zurzeit die Nachfrage corona-bedingt weitgehend am Boden. Entsprechend häufig werden Verkäufer aktuell in Verhandlungen mit Industriekunden mit der Drohung konfrontiert: „Ihr müsst’ uns mit dem Preis entgegen kommen, sonst ...“. Hierfür müssen sie sich im Vorfeld wappnen.
Nur selten klafften in der Vergangenheit in den verschiedenen Märkten das Angebot und die Nachfrage so weit auseinander wie seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. So überstieg in den zurückliegenden Monaten für manche Produkte – zumindest temporär – die Nachfrage das Angebot bei weitem, weshalb die Kunden bereit waren fast jeden Preis hierfür zu bezahlen. Bei anderen hingegen sackt die Nachfrage so stark in den Keller, dass die Anbieter zu fast jedem Preisnachlass bereit waren – sei es weil ihre Lager überquollen oder um zumindest ihre Stammkunden zu halten oder um ihre Liquidität zu bewahren.
Die Marktsituation ist zurzeit sehr verschieden
Von dieser Diskrepanz sind die Märkte auch aktuell noch geprägt. Während in manchen die Anbieter scheinbar eine Lizenz zum Geld drucken haben, stehen in anderen die Anbieter zumindest gefühlt mit dem Rücken zur Wand. Mit einem entsprechend mulmigen Gefühl gehen ihre Verkäufer zurzeit in Vertragsverhandlungen. Denn sie wissen, dass ihre (potenziellen) Kunden, kaum ist die Bürotür geschlossen, folgendes Klagelied anstimmen: „Die Konjunktur ist aktuell weltweit corona-bedingt schlecht“ bzw. „ … steht auf extrem wackligen Beinen. Das spürt auch unser Unternehmen.“ Und dieses Klagelied wird in der Forderung münden: „Deshalb müssen Sie Ihre Preise senken.“
Dieses Szenario erleben die Vertriebsbeauftragten vieler Anbieter von Industriegütern und -dienstleistungen aktuell Tag für Tag. Mit entsprechenden niedrigen Erwartungen gehen sie oft in die Vertragsverhandlungen, und entsprechend schnell werden sie von den Einkäufern an die Wand gedrückt, wenn sie nicht ausreichend vorbereitet sind.
Klagen und Pokern gehört zum Job der Einkäufer
Eine solide Gesprächsvorbereitung ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten extrem wichtig. Denn in ihnen sitzen die Einkäufer am längeren Hebel. Und diese Chance nutzen sie, um auszuloten: Welche Nachlässe und Zugeständnisse sind noch möglich? Dies zu tun, gehört zu ihrem Job. Denn ihre Aufgabe ist es, möglichst preis-wert einzukaufen – also für ihr Unternehmen die beste Kosten-Nutzen-Relation zu erzielen.
Folglich wird, wenn sich Verkäufer und Einkäufer gegenüber sitzen, auch keineswegs nur über Preise und Liefermengen gesprochen. Auf der Tagesordnung stehen auch Themen wie:
- Welche Qualität sollen die gelieferten Produkte/Problemlösungen haben?
- Welche (Service-)„Leistungen“ enthält das Lieferpaket?
- Wie und wann wird angeliefert?
- Wie sehen die Zahlungsmodalitäten aus?
- Und seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie verstärkt auch die Frage: Wie hoch ist die Liefersicherheit?
In diesen Punkten liegt zumindest für die Anbieter von Produkten bzw. Problemlösungen, die für die Zielkunden auch eine strategische Relevanz haben, bei Verhandlungen der Schlüssel, um auch in schwierigen Zeiten wenn nicht Spitzen-Preise, so doch zumindest angemessene Preise zu erzielen. Unter folgender Voraussetzung: Ihre Verkäufer haben im Vorfeld die möglichen Verhandlungspunkte genau analysiert, um so die Verhandlungsmasse und ihren Verhandlungsspielraum zu vergrößern.
Aufgabe 1: Verhandlungsmasse schaffen
Genau analysieren sollten Verkäufer im Vorfeld unter anderem: Wie ist die Situation im Marktsegment, in dem der Kunde agiert? Dies ist aktuell extrem wichtig! Denn Einkäufer neigen aus verhandlungstaktischen Kunden dazu, wenn die Situation grau ist, diese pechschwarz zu malen. Von Marktkrisen werden aber nicht alle Branchen mit gleicher Schärfe erfasst – auch in den verschiedenen Marktsegmenten einer Branche gibt es Unterschiede. Das haben die zurückliegenden Monate überdeutlich gezeigt.
Ein weiteres Themenfeld ist die Marktsituation und -position des Kunden. Hieraus ergibt sich, auf welchem Ohr er erreichbar ist. Informieren Sie sich vor der Verhandlung darüber, vor welchen Herausforderungen Ihr Partner aktuell steht – zum Beispiel:
- Schrumpft sein Markt oder schnappen ihm (neue) Mitbewerber die lukrativsten Aufträge weg?
- Hat das Unternehmen mit dem Cash-flow oder Ertrag Probleme?
- Sind seine Produkte innovativ und seine Produktionsverfahren effektiv oder steht er unter Innovationsdruck?
- Hat er Probleme gewisse Spezialisten zu finden oder beschäftigen ihn eher die Themen Kurzarbeit und Personalbau?
- Analysieren Sie bei Bestandskunden auch die Beziehung Ihres Unternehmens zum Kunden; außerdem, welche (Service-)Leistungen erbrachte Ihr Unternehmen für den Kunden, zu denen es nicht verpflichtet war?
Aufgabe 2: Ein Maximal- und ein Minimalziel definieren
Wenn Sie all diese Infos haben, können Sie definieren:
- Mit welchem Maximal- und Minimalziel gehe ich in die Verhandlung? Und:
- Welche „Pfunde“, also Verhandlungspunkte, werfe ich bei Bedarf in die Waagschale?
Danach können Sie eine kundenspezifische Argumentationskette entwerfen.
In der Verhandlung sollten Sie vor Augen haben: Schon geringe Preisnachlässe wirken sich oft fatal auf die Rendite aus. Hierfür ein Beispiel: Ein Industriezulieferer hat eine Umsatzrendite von fünf Prozent. Erzielt das Unternehmen nur ein Prozent niedrigere Preise, dann sinkt zwar auch der Umsatz nur um ein Prozent, der Gewinn aber um 20 Prozent. Entsprechend scharf sollten Sie Ihre Preise verteidigen.
Aufgabe 3: Die Vorzüge der Zusammenarbeit aufzeigen
Führen Sie in Verhandlungen mit Bestandskunden diesen zunächst den Nutzen der Zusammenarbeit vor Augen – zum Beispiel, indem sie fragen: Wie zufrieden waren Sie mit der Zusammenarbeit im vergangenen Jahr? Hat sich unsere Partnerschaft auch in der Lockdown-Phase bewährt? Wie zufrieden waren sie mit der Problemlösung x?
Hat der Kunde den Nutzen vor Augen, können Sie sagen: „Ihren Worten entnehme ich, dass Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden sind.“ Bejaht der Kunde dies, kann als Anschluss folgen: „Dann wollen Sie gewiss auch künftig mit uns zusammenarbeiten.“ War die Zusammenarbeit wirklich gut, wird der Kunde dies bestätigen – jedoch mit der Einschränkung „Wenn Sie uns preislich entgegen kommen“. Danach wird er all seine Argumente nennen, warum ein Preisnachlass unumgänglich ist. Und diese werden nicht selten in einer Aussage münden wie: „Mir liegt ein Konkurrenzangebot vor, das fünf Prozent günstiger ist.“
Reagieren Sie hierauf weder panisch, noch entsetzt. Schließlich zeigt die Tatsache, dass der Einkäufer mit Ihnen spricht:
- Die Entscheidung ist offen. Und:
- Der Preis ist nicht das alleinige Entscheidungskriterium.
Entsprechend gelassen sollten Sie zum Beispiel erwidern: „Ja, wir sind etwas teurer als manche Mitbewerber, denn wir ....“ Bestätigen Sie also den höheren Preis und entrollen Sie dann Ihre Argumentationskette, warum sich eine Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen trotzdem lohnt. Oder anders formuliert, warum Ihr Unternehmen zwar nicht der billigste, aber der preisgünstigste Anbieter ist.
Diese Argumentation kann in der aktuellen Situation durchaus auch mal in einer Aussage münden wie: „Deshalb können wir Ihnen 0,46 Prozent mit dem Preis entgegenkommen, wenn.....“ Nennen Sie aber nie glatte Zahlen. Denn Ihre Preise sind scharf kalkuliert. Und knüpfen Sie den potenziellen Nachlass an Bedingungen.
Aufgabe 4: Die Preisdifferenz relativieren
Ihr Partner wird, wenn Sie ihm einen so niedrigen Nachlass offerieren, laut Zeter und Mordio schreien und eventuell drohen: „Dann ist unsere Zusammenarbeit beendet.“ Daraufhin können Sie zum Beispiel ruhig erwidern: „Das haben wir uns gedacht. Deshalb haben wir nochmals mit unseren Zulieferern verhandelt. Außerdem haben wir die Abläufe x und y optimiert. Dadurch konnten wir unsere Kosten, um etwa ein Prozent senken. Deshalb können wir Ihnen einen Nachlass von 1,31 Prozent gewähren, wenn ....“
Daraufhin wird Ihrem Partner ein Stein vom Herzen fallen, denn: 1,31 Prozent klingen schon anders als 0,46 Prozent. Dies bedeutet aber noch nicht, dass er den Preis akzeptiert. Vielmehr ist nun erst die Basis für die weitere Verhandlung gelegt.
Hierbei muss der Verkäufer sein gesamtes Verhandlungsinstrumentarium auspacken. Hierzu zählt, dass er den Preisunterschied relativiert. Zum Beispiel, indem er sagt: „Unser Leistungen haben an Ihren Gesamtkosten nur einen Anteil von 5 Prozent. Wenn Sie uns trotz der 3,5 Prozent höheren Preise als Partner engagieren, dann erhöht dies Ihre Gesamtkosten also nur um 0,175 Prozent. Dafür gehen Sie vermutlich nicht das Risiko ein, dass ....“
Außerdem sollte der Verkäufer die Preisdifferenz isolieren – zum Beispiel, indem er statt über Prozente zu feilschen sagt: „Wenn wir also den Differenzbetrag von 2.800 Euro kompensieren, dann erteilen Sie uns den Auftrag?“ Stimmt der Kunde dem zu, können Sie ihn bitten, Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Differenz kompensiert werden kann. Hierfür gibt es zahllose Möglichkeiten. Zum Beispiel: Das Zahlungsziel verändern. Oder das Auftragsvolumen erhöhen.
Aufgabe 5: Den Preis vehement verteidigen
Wie flexibel Sie beim Verhandeln agieren können, hängt von Ihrer Beziehung zum Kunden, Ihrem Verhandlungsgeschick und Ihrer Gesprächsvorbereitung ab. Generell gilt jedoch: Wenn Sie gesagt haben „Das ist mein Preis“, dann müssen Sie ihn mit Händen und Füßen verteidigen. Denn wenn Sie zu schnell einknicken, hat der Einkäufer das Gefühl: „Der wollte es mal probieren.“ Das belastet ihre Beziehung. Außerdem kann der Einkäufer anschließend nicht stolz sagen: „Weil ich so hart verhandelt habe, müssen wir nun trotz Top-Konditionen kaum höhere Preise als gedacht bezahlen.“ Gönnen Sie ihm diesen Triumph.
(Autor: Peter Schreiber, Inhaber der B2B-Vertriebs- und Managementberatung PETER SCHREIBER & PARTNER in Ilsfeld bei Heilbronn (www.schreiber-training.de). Er ist u.a. Dozent an der IHK-Akademie München in Westerham und am VDI Fortbildungszentrum Stuttgart sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim.)
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