Rückblick: 5. Lasersymposium Elektromobilität LSE’23
Nach drei langen Online-Jahren traf sich die Branche auf dem 5. Lasersymposium Elektromobilität LSE des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT endlich wieder in Präsenz in Aachen. Rund 50 Interessierte folgten der Einladung zum Fraunhofer ILT. Referierende aus Forschung und Industrie berichteten über Fortschritte, Trends und Ideen, um die Elektromobilisierung weiter voranzutreiben. Highlights waren unter anderem der Vortrag eines finnischen Schneemobil-Herstellers, ein 32-strahliger 100 Kilowatt-Laser aus Israel und ein österreichischer KI-Experte.
„Zu Land, zu Wasser und in der Luft: Überall ist der E-Transport auf dem Vormarsch“, verdeutlichte Prof. Arnold Gillner, Abteilungsleiter Business Development am Fraunhofer ILT, beim Lasersymposium Elektromobilität LSE im Januar in Aachen. Nun komme es darauf an, die bereits signifikant gesunkenen Batteriekosten von aktuell rund 100 US-Dollar pro Kilowattstunde noch weiter zu reduzieren. Dabei gewinne die ganzheitlich-nachhaltige Betrachtungsweise an Bedeutung, angefangen bei kobalt-freien Werkstoffen, klimaneutralen Fertigungsverfahren bis hin zum sogenannten Re-use, zu Deutsch: Wiederverwendung. „Es ist nicht nur wichtig, den Energieverbrauch bei der Fertigung von Batterien langfristig zu senken“, so Gillner. „Wir müssen ihre Energiedichte durch neue Materialien erhöhen. Außerdem sollten wir, wo möglich, über Re-use nachdenken – etwa den Einsatz von ausgedienten Antriebsbatterien als stationäre Energiespeicher für den Heimbedarf.“
Coole Inspiration vom Polarkreis: Batteriekonzept mit hoher Energiedichte
Elektromobilität in einer seiner vielleicht spannendsten Formen präsentierte Matti Autioniemi, Geschäftsführer und Mitgründer des Startups Aurora Powertrains Oy aus dem finnischen Rovaniemi, der Hauptstadt von Lappland. Das 2017 gegründete Unternehmen produziert als einer der ersten Hersteller elektrische Schneemobile und ist der weltweit erste Anbieter von geführten Touren mit elektrischen Schlitten. Der eSled wiegt in der Version mit der größten Batteriekapazität 270 Kilogramm. Die maximale Reichweite beträgt, je nach Batterie (Energiekapazität: 7 bis 21 Kilowattstunden) zwischen 40 und 100 Kilometer. Die arktischen Temperaturen dieser Region waren eine besondere Herausforderung, für die Aurora eine wasser- und staubdichte Batterie mit IP67-Klassifizierung entwickelt hat. Die modular skalierbare Batterie verfügt über ein flexibles Ladesystem für Gleich- und Wechselspannung; zur Konditionierung der Batterie hat Aurora eigens ein innovatives Batteriemanagementsystem (BMS) inklusive einer integrierten Heizung konzipiert.
Die Entwickler konzentrierten sich bei dem Batteriekonzept auf eine möglichst hohe Energiedichte und erreichten mit mehr als 190 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) einen hervorragenden Wert. Das finnische Unternehmen setzt auf Lithium-Ionen- Batterien als Pouch-Zellen mit 0,2 Millimeter dünnen elektrischen Kontakten. Die platzsparenden Pouch-Zellen sind leicht und werden direkt in anwendungsspezifischen Größen hergestellt. Da der Platz für den effizienten Einsatz von Ultraschallschweißgeräten nicht ausreichte und das Verfahren mehr vertikalen Raum benötigte, ließ sich Aurora vom Fraunhofer ILT ein maßgeschneidertes Laserschweißsystem entwickeln.
Vielseitige Einsatzmöglichkeiten dank Skalierbarkeit und Modulaufbau
Das neue Batteriekonzept ist nicht nur für Schneemobile geeignet: Aurora kann Größe und Spannungskonzept der beutelförmigen Batterien anpassen – zum Beispiel an den Einsatz in Elektrobooten, Arbeitsmaschinen oder Energiespeichern. „Wegen der hohen Energiedichte und der IP67-Klassifizierung sind bereits mehrere Unternehmen an unserem Batteriekonzept interessiert“, erklärte Matti Autioniemi. „Derzeit entwickeln wir Konzepte für ein finnisches Elektrobootunternehmen und ein Geländewagenprojekt, dessen Batterie für 120 Kilowattstunden ausgelegt ist.“ Laut Autioniemi lassen sich mit diesem Konzept Batterien selbst für größere Fahrzeuge oder sogar Lastwagen wirtschaftlich realisieren.
Diese Entwicklung zeigt: Das Anwendungsspektrum für Laser ist längst noch nicht ausgereizt. So berichtete Philippe Leopold, EMEA Sales Director bei dem Photonik- und Optikunternehmen Lumentum LLC aus York, Großbritannien, vom neuen PicoBlade3- Laser, der mit bis zu 180 Watt im Nahinfrarot- (NIR), Ultraviolett- (UV) sowie im Grün- Bereich arbeitet. Das FlexBurst-Verfahren fächert den Hauptstrahl in 20 ultrakurzgepulste Einzelstrahlen auf, mit denen sich Kathoden mit 2 m/s und hauchdünne Elektrolytfolien mit 20 m/s extrem schnell und präzise schneiden lassen.
32 Einzelstrahlen sollen das Schmelzbad bändigen
Wie sich ein Schmelzbad etwa beim Schweißen mit 32 digital geregelten Einzelstrahlen aus maximal 100 Kilowatt starken Laserquellen positiv beeinflussen lassen, schilderte Christian Dini, General Manager Europe der Civan Advanced Technologies Ltd. aus Jerusalem, Israel. „Wenn sich damit sehr viel schneller, besser oder variabler schweißen lässt, ist es eine interessante Lösung“, urteilte Dr. Alexander Olowinsky, Abteilungsleiter Fügen und Trennen am Fraunhofer ILT. „Es wird sich zeigen, ob der Markt zu dem Mehraufwand bereit ist.“
Weil Laserstrahlschweißen zahlreiche Vorteile bietet, beschäftigten sich viele Referenten mit dieser Fügetechnik. Thorsten Twiehaus, Wissenschaftler am Lehrstuhl und Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF) an der RWTH Aachen, berichtete von Erfahrungen mit dem Laserschweißen unter Vakuum, das sich bei Elektroblechen, Mischverbindungen und Hairpins bewährt hat. Für den Nürnberger Leistungselektronik- Hersteller Semikron International GmbH berichtete Dr. Armin Dellert über den Einsatz von grünem Laserlicht beim Schweißen von Innen- und Außenkontakten. Der Entwicklungsingenieur schätzt vor allem das größere Prozessfenster.
Trend bei den OEM: Pouch passé?
Die EAS Batteries GmbH aus Nordhausen hat gemeinsam mit dem Fraunhofer ILT eine neue Laserschweißanlage für das Fügen von großen zylindrischen Lithium-Ionen-Zellen für Hochleistungsanwendungen (40 bis 50 Amperestunden) entwickelt. Mit dieser Neuentwicklung reagieren die Nordhäuser laut Geschäftsführer Michael Deutmeyer auf einen Trend in der Automobilbranche, die sich wegen der höheren Gasdruck-Stabilität und Langlebigkeit zunehmend von der Pouch-Zelle zugunsten von Zellen mit massiver Außenhülle verabschiedet. Ebenfalls für zylindrische Energiespeicher entstand bei der F & K DELVOTEC Bondtechnik GmbH aus Ottobrunn eine Anlagentechnik, die mit Taktzeiten von 0,7 Sekunden arbeitet. Für das mit dem Fraunhofer ILT entwickelte Verfahren spricht zudem, dass sich damit punktschweißen lässt, wie Bond-Academy Leiter Dr. Hans-Georg von Ribbeck betonte.
Mit dem Laserstrahlschweißen von Batterien, die sich mittels Thermo-Management ohne Überhitzung besonders schnell laden und entladen lassen, beschäftigt sich seit kurzem die Kautex Textron GmbH & Co. KG aus Bonn. Der Hersteller von Kunststofftanks entschied sich beispielsweise bei den Stromsammelschienen für ein vom Fraunhofer ILT erarbeitetes Verfahren zum Laserschweißen. Entwicklungsingenieur Frank Süßemilch erklärte, dass es zwar teurer als Drahtbonden sei, dafür aber präziser und schneller füge, gezielte Prozessregelung erlaube und sich wegen der niedrigen Taktzeiten für Großserieneinsatz eigne.
Effiziente Lasertrocknung ersetzt gasbetriebene Ofenanlage
Tatsächlich erobern Laser immer wieder neue Bereiche: Die Bandbreite reicht vom Oberflächenstrukturieren mit Ultrakurzpulslaser (Fraunhofer ILT), dem kompletten Entlacken von Hairpins (Clean-Lasersysteme GmbH, Herzogenrath), dem Entfernen von Kabel-Isolierungen (SLCR Lasertechnik GmbH, Düren) bis hin zu dem sehr aktuellen Thema Trocknen. Derzeit müssen die Pasten für Anoden und Kathoden in rund 100 Meter langen Konvektionsöfen trocknen, die bisher fast ausschließlich mit Erdgas beheizt werden.
Eine Alternative entsteht unter Führung der Laserline GmbH aus Mülheim-Kärlich im Forschungsprojekt IDEEL (Implementation of Laser Drying Processes for Economical & Ecological Lithium Ion Battery Production). Bei Versuchen am Fraunhofer ILT gelang es erstmals, die Elektrodenpaste auf Anoden und Kathoden im Rolle-zu-Rolle-Verfahren mit dem Laser zu trocknen. Laserline-Manager Mathias Schlett stellte auf dem LSE’23 einen leistungskräftigen Infrarot-Diodenlaser mit 45 Kilowatt Leistung vor, mit dem sich der Energieverbrauch extrem senken lassen soll. Experten rechnen mit einer Ersparnis von 50 bis 85 Prozent. Gleichzeitig lässt sich mit den Lasern das Trockentempo verdoppeln und eine deutlich kleinere Anlagentechnik umsetzen – die Projektteilnehmer planen eine Bandgeschwindigkeit von 30 Metern pro Minute.
Wichtig ist bei allen Laserprozessen ein besseres Verständnis der Vorgänge etwa im Schmelzbad. Gehring Technologies überwacht das Laserschweißen von Hairpins zum Beispiel mit Röntgenstrahlung, Semikron hingegen prüft die Laserschweißstellen in der Leistungselektronik mit Ultraschallmikroskopie. Andere setzen auf aufwendigere Verfahren wie optische Kohärenztomographie (OCT). Christoph Spurk vom Lehrstuhl für Lasertechnik LLT der RWTH Aachen University nimmt sogar zweimal pro Jahr die Reise zum Synchrotron am Forschungszentrum DESY in Hamburg in Kauf, um Laserprozesse besser zu verstehen.
Das Beobachten der Prozesse sei immens wichtig, meint auch LSE-Mitinitiator Olowinsky, gibt aber zu bedenken: „Alle beobachten den Prozess, aber nur wenige regeln ihn – und wenn, dann häufig von Prozess zu Prozess. Multisensor- Anwendungen sind aktuell angesagt, um an vielen Stellen Messsignale zu erhalten. Ich bin mir allerdings sicher, dass das Messverfahren zweitrangig ist. Es kommt auf die intelligente Auswertung der Daten an.“
Big Data-Analyse mit Hilfe von KI, Endauswertung per „Human Intelligence“
Ein wesentliches Problem aller Messverfahren sprach auch Thomas Grünberger an, Strategic Technology Developer bei der Wiener nLIGHT GmbH: Es entstehen oft extrem viele Daten, die ausgewertet und bewertet werden müssen. Grünberger empfahl in seinem Vortrag, Big Data, also große Datenmengen mit Hilfe von Machine Learning zu analysieren. Dabei sollten Anwender darauf achten, dass bei instabilen, unkontrollierten Prozessen wie dem Schmelzbad ausschließlich instabile Messdaten entstehen. Daher sollte die endgültige Bewertung stets Human Intelligence übernehmen, sprich der Mensch. Das Fraunhofer ILT sorgte als LSE-Veranstalter nicht nur für viel Input rund um Fragen der Elektromobilität, sondern bot vor allem kleinen und mittleren Unternehmen entscheidende Mehrwerte. Dr. André Häusler etwa, Gruppenleiter für Fügen von Metallen am Fraunhofer ILT, präsentierte das geplante Battery Launch Center NRW (BLC.nrw), das bereits von Partnern wie Kuka, LBBZ oder die RWTH Aachen University unterstützt wird.
Den Unterschied zur bereits bestehenden Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) in Münster erläuterte Olowinsky: „Beide Institutionen ergänzen sich sehr gut, denn Münster erforscht die Verfahrensfragen zur Batteriezellen-Produktion; das BLC.nrw entwickelt die Anlagentechnik und das dazu nötige Know-how, um aus den Zellen ein komplettes Batteriesystem herzustellen.“ Häusler warb um Unterstützung für das BLC.nrw in Geilenkirchen bei Aachen, das in Kürze in Betrieb gehen soll: „Wir suchen Firmen, die Equipment für die Fertigung von Batteriesystemen anbieten, und potenzielle Nutzer der Einrichtung. Wer uns also Anlagentechnik zur Verfügung stellen kann oder Produktions- oder Entwicklungs-Kapazität braucht, soll sich an uns wenden.“
(Quelle: Presseinformation des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT)
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