Wasser und Laser im Verbund
Das von einem Schweizer Unternehmen entwickelte und patentierte „LMJ“-Verfahren beruht – bildlich gesprochen – auf der Kombination von Feuer und Wasser: Die Werkstoffbearbeitung erfolgt durch einen haardünnen Wasserstrahl, in den hochenergetische Laserstrahlimpulse geleitet werden. Die Kühlung durch das Wasser verhindert hierbei Beeinträchtigungen des Werkstoffs. Einsatzbereiche sind zum Beispiel Feinmechanik, Medizintechnik, Uhrenherstellung, Elektronik, Werkzeugherstellung sowie Luft- und Raumfahrt. Aktueller Entwicklungsschwerpunkt ist die Vollautomatisierung mit Blick auf „Industrie 4.0“.
„Der ‚Laser MicroJet‘(‚LMJ‘)-Bearbeitungsprozess unterscheidet sich grundsätzlich von allen anderen Laserbearbeitungsverfahren auf dem Markt“, erläutert Dr. Amédée Zryd, Direktor Applikation/F&E der Synova S.A., Duillier/Schweiz. Besonderheit dieser Technologie ist die Tatsache, dass die kurzen, aber energieintensiven Laserstrahlimpulse statt durch eine Optik über eine „optische Faser“ aus einem haarfeinen Wasserstrahl auf das Werkstück geleitet werden. Da der Laserstrahl im Inneren des laminar strömenden und damit über Distanzen von bis zu 50 mm gleichbleibend dünnen Wasserstrahls durch Oberflächenreflexion fokussiert bleibt, sind sehr tief reichende Schnitte mit faktisch vertikalen und sehr glatten Oberflächen möglich.
Die Bearbeitung erfolgt durch aufeinanderfolgende Durchläufe, wodurch die sich zunächst bildende Kerbe jeweils ein wenig vertieft wird, bis der Schnitt komplett durch den Werkstoff geht. Dank des Wasserstrahls bleibt der „LMJ“-Laserstrahl über wesentlich größere Distanzen voll fokussiert als derjenige eines konventionellen Lasers.
Im Werkstück bewirken die Impulse wie bei Laserverfahren üblich das kurzzeitige Aufschmelzen winziger Werkstoffmengen. Der mit einem Druck von 50 bis 800 bar auftreffende Wasserstrahl kühlt dabei das Werkstück mit hoher Effizienz, sodass es keine thermische Schädigung erleidet. Zudem sorgt er dafür, dass abgeschmolzene Partikel schnell und gründlich aus dem Arbeitsbereich herausgespült und abtransportiert werden. Das Ergebnis sind saubere Oberflächen sowie Werkstoffeigenschaften, die denen des unbearbeiteten Werkstoffs entsprechen. Die dünne Wasserfaser gewährleistet sehr enge Schnittspalte von 25 bis 80 µm mit sehr geringer Flankenrau-heit. Bearbeitbar sind Werkstoffe wie Metalle (einschließlich Hartmetalle), Mineralien, Keramik, Halbleiter und Verbundwerkstoffe. Die Härte spielt keine Rolle, im Gegenteil, der Laser kann gerade bei harten und superharten Werkstoffen bis hin zum Diamant seine Stärken ausspielen.
Herausforderung Prozessbeherrschung
„Der Vorteil einer Bearbeitung mit einer klassischen Werkzeugmaschine besteht darin, dass die Werkzeugparameter mit äußerst engen Toleranzen definiert sind,“ weiß Dr. Zryd. So wird ein Bohrer mit einem Durchmesser von 3 Millimetern auch eine Bohrung mit exakt diesem Durchmesser und einer ebenfalls genau definierten Tiefe erzeugen. Aus diesem Grund lassen sich die entsprechenden Bearbeitungsprozesse mit hoher Sicherheit beherrschen. Beim „LMJ“-Prozess sind die Verhältnisse dagegen komplexer.
„Um die Beherrschung dieses anspruchsvollen Prozesses zu verbessern, betreiben wir seit Jahren eine systematische Innovationsoffensive“, ergänzt Dr. Zryd. Ziel ist die Stabilisierung aller wesentlichen Prozessparameter. Hierfür wurden spezielle Sensoren sowie ausgeklügelte Mess- und Überwachungsmethoden entwickelt, die eine umfassende Automatisierung ermöglichen. Durch möglichst weitgehend geschlossene Regelkreise wolle man die Prozesse so in den Griff bekommen, dass die Arbeitsergebnisse innerhalb möglichst enger Toleranzen gewährleistet werden können. Dank dieser Stabilisierung der wesentlichen Anlagenparameter sei man auf einem guten Weg, um sich heutigen Anforderungen wie „Industrie 4.0“ weitgehend anzugleichen. Diesem Ziel habe man sich in den letzten Jahren bereits merklich nähern können. Viele der heutigen Anlagen seien in der Handhabung so einfach und so sicher, dass man sie auch mit Facharbeitern auf Werkstattebene bedienen könne. Von den zahlreichen bisher realisierten patentierten Lösungen sollen hier die wichtigsten vorgestellt werden.
Gewährleistung der „Werkzeug“-Qualität
„Während metallische Werkzeuge bezüglich zum Beispiel Länge und Durchmesser sowie Zerspanungsparametern genau definiert sind, muss beim ‚LMJ‘-Prozess deutlich mehr Aufwand getrieben werden“, verrät Dr. Zryd. So können sowohl die Leistung des Lasers als auch Kohärenz und Gleichmäßigkeit der Strömung des Wasserstrahls teils erheblich variieren, was wiederum die Wirksamkeit der Abtragung beeinflusst.
Deshalb wurde ein ganzes Paket automatischer Regelmechanismen entwickelt, die die wesentlichsten Parameter abdecken. Besonders wichtig ist dabei die Positionierung des Laserstrahls exakt in der Mitte des Wasserstrahls. Diese gemeinsam mit dem Unternehmen Makino entwickelte Lösung beruht auf einem Kamerasystem, das die Position des Laserstrahls innerhalb der Düse mit einer Auflösung von 1 µm erfasst und mithilfe von Stellgliedern genau in die Mitte der Düsenöffnung manövriert. Auch für die direkte Bestimmung der Energie des Laserstrahls auf der Oberfläche des Werkstücks wurde eine spezielle Messzelle entwickelt.
Ebenso bedeutsam ist die genaue Kontrolle des Strahlwinkels. Technisch bedingt weist der im Kopf erzeugte Strahl in der Regel eine kleine, aber signifikante Winkelabweichung gegenüber der Vertikalachse des Strahlkopfs auf. Diese Abweichung wird durch „Antasten“ mit dem Strahl an den scharfen Kanten einer Kalibriereinheit detektiert, die außerdem die Lage des Laser-Wasserstrahls in der Maschi-ne mikrometergenau bestimmt. Die Korrektur erfolgt anschließend durch automatische Nachjustierung des Neigungswinkels des gesamten Strahlkopfs.
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Laminarität der Strömung des Wasserstrahls nach dem Austritt aus der Düse. Diese Laminarität ist Voraussetzung für die Totalreflexion des Laserlichts an der Grenzfläche zur Umgebungsluft. Sie wird durch an der Düse auftretenden Verschleiß beeinträchtigt, was die Wirkung der Laserstrahlimpulse auf das Werkstück verringert. Zur Erkennung entwickelte Synova eine spezielle Sensoreinheit, die die sogenannte Raman-Strahlung misst. Ist diese örtlich wie zeitlich über einen entsprechend großen Abschnitt des Strahls hinweg stabil, so signalisiert dies eine hohe Düsenqualität. Bei Verringerung oder Fluktuation der Raman-Emission muss dagegen die Düse ausgetauscht werden.
Erfassung der Werkstückposition
„Wie bei jeder maschinellen Bearbeitung müssen auch beim ‚LMJ‘-Verfahren Position und Ausrichtung des Werkstücks eingemes-sen werden“, sagt Dr. Zryd. Hierfür kommen wahlweise Taster oder Kamerasysteme zum Einsatz. Bei letzteren muss das Werkstück mit optischen Passer- bzw. Referenzmarken versehen werden, die dann von der Kamera automatisch erfasst werden. Mit diesen Ausrüstungen lässt sich die Lage des Werkstücks in Maschinenkoordinaten in X-, Y- und Z-Richtung sowie eine gegebenenfalls vorhandene Winkelabweichung automatisch bestimmen.
Für die Erkennung eines Durchbruchs durch das Werkstück wurden gleich zwei Technologien entwickelt, die die Intensität der vom Werkstück zurückgeworfenen Plasmastrahlung registrieren. Bei der ersten Variante, die bei Köpfen zur dreidimensionalen Bearbeitung eingesetzt wird, erfolgt die Messung direkt in der Lasereinheit. Bei Köpfen zur zweidimensionalen Bearbeitung wird die Rückstrahlung dagegen vorher ausgeleitet und über eine optische Faser zu einem Sensor geführt. Durch Vergleich mit einer vordefinierten Schwelle wird der Durchbruch erkannt. Dieses Signal kann je nach Aufgabenstellung unterschiedlich genutzt werden. In bestimmten Fällen – zum Beispiel bei der Bearbeitung von Teilen mit variierender Wanddicke wie Naturdiamanten – lässt sich dadurch die Gesamtdauer der Bearbeitung verringern. Beim Schneiden von Schlitzen in großformatige, 7 Millimeter dicke Silicium-Scheiben, die zur Begasung in Plasma-Ätzkammern für Wafer verwendet werden, wurden so Zykluszeitvorteile von 10 bis 15 Prozent erzielt.
Unterschiedliche Zukunftsprojekte
„Derzeit arbeiten wir an weitergehenden Projekten wie 3-D-Bearbeitungen oder einem Schnellwechselkopf“, setzt Dr. Zryd hinzu. Bei der angedachten dreidimensionalen Bearbeitung sowie beim Drehen kommt ein Sensor zum Einsatz, mit dem die aktuelle Bearbeitungstiefe kleinräumig festgestellt werden kann. Mögliche Einsatzbereiche seien beispielsweise spanbrechende Geometrien an Zerspanungswerkzeugen oder Feindrehbauteile für die Uhrenindustrie. Momentan sei das Verfahren allerdings noch in der Entwicklung.
Potenzial für die Einsparung von Rüstzeiten ergebe sich durch die ebenfalls angedachte Entwicklung von Schnellwechselköpfen. Derzeit verfüge man leider erst über eine Zwischenlösung, indem ein zweites Kupplungsstück verwendet wird. Wenn man dieses au-ßerhalb der Anlage mit einer neuen Düse ausrüstet, kann ein Wechsel innerhalb von etwa 10 statt wie bisher 20 Minuten ausgeführt werden.
(Autor: Klaus Vollrath, Redaktionsbüro Klaus Vollrath, Aarwangen/Schweiz, kvollrath@bluewin.ch)
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