Bell baut mit EWM eigene Schweißfertigung auf
Die knickgelenkten Muldenkipper des südafrikanischen Baumaschinenherstellers Bell Equipment sind für den Einsatz im Gelände und für große Lasten gebaut. In der Produktion der Großfahrzeuge geht es ebenfalls zur Sache: Lange Schweißnähte und hohe Einschaltdauer bei hohem Strom im Zwei-Schichtbetrieb müssen Schweißgeräte und Zubehör aushalten. Seit 2019 wird in der deutschen Niederlassung des südafrikanischen Unternehmens in der Nähe von Eisenach nicht mehr nur endmontiert, sondern auch produziert. Bei der Planung und Umsetzung der eigenen Schweißfertigung hat die EWM AG, Deutschlands größter Hersteller im Bereich Lichtbogen-Schweißtechnik, Bell Equipment Deutschland von Anfang an begleitet.
Seit Januar 2000 ist der Baumaschinenhersteller Bell Equipment Deutschland im hessischen Alsfeld ansässig. Von hier aus versorgt der Ableger des südafrikanischen Familienunternehmens 22 europäische Länder und Nordamerika mit seinen Muldenkippern und Ersatzteilen. Seit 2003 hat Bell Deutschland eine Produktion in Hörselberg-Hainich nahe Eisenach. Hier werden etwa 500 Fahrzeuge im Jahr endmontiert. Während Komponenten dafür von überwiegend europäischen Zulieferern kommen, werden die Kern-Baugruppen aus dem südafrikanischen Mutterwerk angeliefert.
Bis 2018 galt das auch für die Mulden. Dafür wurden Bleche aus europäischer Produktion nach Südafrika geliefert, dort geschnitten, gefräst, gekantet und geschweißt, um schließlich als fertige Mulden nach Deutschland verschifft zu werden. Hier sah man noch Verbesserungsbedarf, um dem in den Grundsätzen verankerten Umweltgedanken des Unternehmens und der nachhaltigen sowie wirtschaftlichen Produktion der Mulden gerecht zu werden, resümiert Steffen Zitter, Mitarbeiter im strategischen Einkauf und zuständig für die Umsetzung globaler Projekte bei Bell Equipment. Zudem dauerte es vier bis sechs Monate, bis eine Mulde nach der Bestellung verfügbar war.
2019 eigene Schweißproduktion gestartet
Deshalb startete 2019 die eigene Schweißproduktion bei Bell Equipment Deutschland in der Nähe von Eisenach. Hier werden die Mulden der knickgelenkten Muldenkipper für Europa und Nordamerika seit einem halben Jahr in Serie produziert. In der neuen, modernen 12.000-Quadratmeter-Halle werden die Mulden für die zwischen 20 und 50 Tonnen Zuladung starken Großfahrzeuge an verschiedenen Stationen geschweißt. Neben vollmechanisierten und automatisierten Stationen sind Schweißer im Einsatz. Sie schweißen vor allem die schwer zugänglichen Nähte. Die Dimensionen der Fahrzeuge sind gewaltig – ebenso wie die Schweißnähte: Die kleinste Mulde hat eine Länge von 4,70 Metern, die größte, die in Thüringen gebaut wird, ganze 5,30 Metern.
EWM bereits in die Planungen einbezogen
Im Vorfeld hatte sich Stephan Giese, technischer Leiter von Bell Equipment Deutschland, über die Möglichkeiten einer eigenen Schweißproduktion informiert. Dabei lernte er Ralf Rauh, den Leiter des EWM-Standorts in Nossen, kennen. Als sich das südafrikanische Familienunternehmen Bell Equipment schließlich dazu entschloss, an seinem Standort in Eisenach eine eigene Schweißfertigung aufzubauen, war die EWM AG von Anfang an dabei. Ralf Rauh war bereits in die ersten Planungen einbezogen. Im Rahmen von ewm maXsolution, der umfassenden EWM-Beratungsleistung, erarbeitete er eine individuelle Komplettlösung für das Unternehmen.
Bei ewm maXsolution wird die gesamte Prozesskette in der Produktion des Kundenbetriebs so optimiert, dass das jeweilige Unternehmen Energie, Ressourcen und Zeit spart. Dafür lernte Rauh Bell Equipment Deutschland, den Produktionsort in Eisenach und die Anwender kennen und fragte die konkreten Anforderungen ab. Dabei spielten die Vorgaben aus dem Mutterkonzern eine große Rolle „Prozesse, die von Südafrika vorgegeben sind, werden hier abgebildet”, so Steve Rudolph, Leiter der Baugruppenfertigung und Qualitätskontrolle.
EU-Ökodesign-Richtlinie im Blick
Für die meterlangen Bleche aus verschleißfestem Stahl in Dicken von 6 bis 32 Millimeter sind robuste Maschinen mit hoher Einschaltdauer gefordert, die den langen Nähten und Schweißzeiten standhalten. In der Produktion in Südafrika werden dafür seit Jahrzehnten stufengeschaltete Geräte verwendet, an denen die Anwender ihren Arbeitspunkt selbst finden und einstellen müssen. Deshalb sollten solche Geräte auch in Deutschland eingekauft werden. Bei seinem Angebot nahm Ralf Rauh alle Wünsche und Vorgaben des Kunden auf, doch hier intervenierte er: „Kommendes Jahr tritt auch für Schweißgeräte die europaweite Ökodesign-Richtlinie in Kraft. Ab 2023 dürfen Stromquellen dann z. B. maximal 50 Watt Leistung im Leerlaufzustand aufnehmen.“ Deshalb bot Rauh die Taurus Basic, ein Schweißgerät mit energie- und ressourcensparender Invertertechnologie, an.
Da für die gesamte Fertigung ein Typ Schweißgerät gewünscht war, bei dem der Anwender den Arbeitspunkt manuell einstellen kann, schweißen nun alle Mitarbeiter der Produktion mit der Taurus 505 Basic. Diese Stromquelle kommt einem stufengeschalteten Gerät in der Bedienung nahe, spart aber dank digitaler Technik und EWM-Qualität hohe Mengen an Energie. Für die EWM-Komplettlösung, die neben den Schweißgeräten auch die Drahtvorschubgeräte, die Zwischenschlauchpakete, die Fassanbindung, die Schweißzusatzwerkstoffe und den Arbeitsschutz wie Schweißhelme mit einschloss, gaben die Entscheider in Südafrika ihr Okay.
Reine Schweißzeit von zwei Schichten pro Mulde
Die EWM-Schweißgeräte sind für die bis zu 6 Meter langen Nähte ideal, denn der Hersteller achtet bei all seinen Geräten auf Qualität, Leistungsfähigkeit, hohe Leistungsreserven und Netzspannungstoleranzen. Nicht umsonst gibt EWM volle drei Jahre Garantie im Drei-Schicht-Betrieb ohne Einschränkung der Betriebsstunden.
Auf Haupttransformatoren, Ausgangsdrosseln und Sekundärgleichrichter bietet das Unternehmen sogar fünf Jahre Materialgarantie. Auch bei der Einschaltdauer legt EWM eigene Maßstäbe an, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Die Taurus Basic 505 zum Beispiel hat eine Einschaltdauer von 100 Prozent bei 430 Ampere. „Es wird mit hohen Strömen von etwa 290 Ampere über einen langen Zeitraum geschweißt. Eine Mulde dauert mindestens zwei Schichten reine Schweißzeit. Dem halten die EWM-Geräte gut stand”, bestätigt Steffen Zitter.
Bei seiner Komplettlösung plante Ralf Rauh verschiedene Erleichterungen für die Anwender und Optimierungen für das Unternehmen mit ein, die anders sind als in Südafrika. So arbeiten die Schweißer mit dekompakten Anlagen, bei der Stromquelle und Drahtvorschubgerät voneinander getrennt sind. Zwischenschlauchpakete von 10 bis 15 Metern erweitern den Arbeitsradius. Das erleichtert die Arbeit an den großen Bauteilen und an den oft schwer zugänglichen Nahtpositionen. Die Umstellung auf Fassanbindung des Schweißdrahts spart pro Arbeitsplatz etwa 17 Spulenwechsel. Die Drahtvorschubgeräte hat Bell in eigenen Lösungen beweglich an den meterhohen Manipulatoren angebracht, auf denen die Muldenbauteile passend positioniert werden. Die Schweißparameter kann der Schweißer direkt an der Steuerung der Drahtvorschubgeräte verändern und muss sie nicht an der Stromquelle einstellen. Das erweitert den Bewegungsraum und spart lange Wege und unnötige Kletterei.
Die Schweißer wurden in Gruppen und einzeln von Mitarbeitern des EWM-Standorts Nossen geschult. Für die Verschleißteile hat Bell ein kleines Lager angelegt. Erfahrungen und Ergebnisse werden mit Ralf Rauh besprochen. Das gesamte Vorgehen passt in das Konzept des Baumaschinenherstellers: „Wir als Original Equipment Manufacturer (OEM) arbeiten am liebsten direkt mit den Herstellern zusammen”, erklärt Gert Van Zyl, Leiter der Muldenfertigung in Deutschland. So könnten gemeinsam Prozesse optimiert und Synergien genutzt werden. Stefan Zitter ergänzt: „EWM ist Partner der ersten Stunde. Dort ist man auf unsere Anforderungen gezielt eingegangen, arbeitet kontinuierlich an der Optimierung der Prozesse und konnte seit Beginn an Synergien im Aufbau der Schweißfertigung nutzen.”
Kurze Lieferzeit und guter Service
Dass nach nur drei Wochen alle 22 Geräte geliefert waren, war nur ein weiterer Grund, um mit EWM zusammenzuarbeiten. „Der Zeitfaktor hat eine Rolle gespielt, die preisliche Gestaltung, aber auch der persönliche Kontakt und der gute Service”, so Zitter. So konnte die Produktion schnell starten und innerhalb von wenigen Monaten zur Serienreife gebracht werden. Zusammen mit EWM soll die Produktion in den kommenden Jahren weiter verbessert werden.
„Mit Südafrika werden intensiv Erfahrungen ausgetauscht, gerade was Maschinentechnik oder Schweißzusatzwerkstoffe betrifft. Wenn wir feststellen, dass sich etwas optimieren lässt, dann wird das in Absprache ausgetauscht und verbessert”, so Zitter. Dafür ist Ralf Rauh regelmäßig in der Schweißproduktion, lässt hier einen EWM-Brenner zum Ausprobieren da oder unterstützt dort bei Fragen. Das überzeugt: „Mit dem EWM-Brenner haben wir nur fünf EWM-Stromdüsen in zweieinhalb Wochen gebraucht“, antwortet Steve Rudolph auf Ralf Rauhs Nachfrage. „In Zusammenarbeit mit EWM, besonders im Bereich der Brennertechnik, konnten wir bereits in kürzester Zeit Einsparungen von bis zu 30% an Verbrauchs-und Verschleißmaterialen, je nach Anwendung und Arbeitsplatz, erzielen.“
Die eigene Fertigung hat sich bereits bewährt: Bell Equipment Deutschland kann nun schneller und flexibler auf Anfragen und Bestellungen reagieren. Dazu ist die Produktion deutlich wirtschaftlicher und nachhaltiger. Die Bleche kommen direkt aus dem Walzwerk – 6.000 Tonnen Stahl pro Jahr werden hier verarbeitet, d. h. in der Halle zugeschnitten, gekantet, geheftet und geschweißt. Eine Mulde ist in zwei bis drei Wochen fertig und kann nebenan, in der 6.000 Quadratmeter großen Montagehalle, verbaut werden. Noch in diesem Jahr wird Bell Equipment mit der Fertigung der Motorhauben beginnen. In den kommenden Jahren sollen weitere Baugruppen das Fertigungsportfolio erweitern.
(Quelle: EWM AG)
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InvertertechnologieLichtbogenschweißenVerschleißfester Stahl