Die Vertriebspotenziale ausschöpfen
In vielen Unternehmen hängt der Vertriebserfolg weitgehend vom Zufall ab. Ein Selling-Plan hilft, die Vertriebsziele sicher zu erreichen. Das ist gerade bei einer instabilen bzw. unsicheren Konjunktur wichtig.
Die meisten im B2B-Bereich tätigen Unternehmen haben Businesspläne. Diese Zahlenwerke basieren auf
- einer Vision der Geschäftsleitung, wie sich das Unternehmen in den nächsten Jahren im Markt positionieren möchte, und
- einer generellen Strategie, die als Handlungsrichtlinie für alle Unternehmensbereiche dient – auch den Vertrieb.
Zahlenfriedhöfe bieten keine Handlungsorientierung
Doch was kommt von den Planungsdaten bei den Vertriebsmitarbeitern an? Oft nur die Info, welchen Umsatz und Deckungsbeitrag sie im kommenden Jahr bzw. im Planungszeitraum erzielen „müssen“ – nicht selten aufgeschlüsselt nach Produkt- und Kundengruppen.
Durchgeführt wird diese Planung in der Regel aus führungspsychologischen Gründen zwar top-down und bottom-up, doch häufig in einem Scheindialog, in dem im Zweifelsfall gilt: „Ober sticht Unter“. Zudem wird in ihm zwar verabschiedet, was zu erreichen ist, doch niemand weiß anschließend genau, wie die quantitativen und qualitativen Ziele erreicht werden sollen. Das heißt, es existieren zwar Umsatz-Pläne (Sales-Pläne) jedoch keine Umsetzungs-Pläne (Selling-Pläne). Ein solches Vorgehen motiviert die Verkäufer nicht; zudem werden bei ihm die Aktivitäten der einzelnen Bereiche wie Vertrieb, Marketing, Produktion und Service nicht verzahnt.
Von der Vertriebs-Strategie zum Umsetzungs-Plan
Vertriebschefs wissen in der Regel an welchen Stellschrauben sie drehen möchten, damit ihr Bereich seinen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele leistet. Sie haben sozusagen ihre (Vertriebs-)Strategie. Diese gilt es jedoch an die Personen zu kommunizieren, die ihnen dabei helfen sollen, diese zu realisieren – und zwar konkret, plausibel, pragmatisch und Maßnahmen orientiert. Ihre „Mit-Arbeiter“ müssen nicht nur wissen, was zu erreichen ist (Ergebnisse), ihr Know-how und ihre Erfahrung sollten auch für die Planung des Wie, also der Maßnahmen und Prozesse, einfließen.
Angenommen die Vertriebsstrategie eines Unternehmens lautet „Wir wollen durch eine Forcierung des Systemgeschäfts eine höhere Marktdurchdringung und Kundenbindung erreichen“ und damit verbunden ist ein Umsatzziel von fünf Millionen Euro. Dann stellen sich Fragen wie:
- Was ist die durchschnittliche Auftragsgröße im Systemgeschäft?
- Wie viele Aufträge brauchen wir also, um unser Umsatzziel zu erreichen?
- Wie viele Kunden müssen wir dazu ansprechen?
- Welches sind dafür Zielkunden?
- Wie viele gibt es davon und wo?
- Mit welchen Maßnahmen und Ressourcen sprechen wir diese Kunden an?
- …?
Ausgehend von der Markt- und Kundenanalyse werden also konkrete Antworten für den Verkaufsprozess und Verkäuferalltag gesucht. Genau dazu dient ein Selling Plan. Dieser sollte sich zwar auch im Vertriebscontrolling widerspiegeln, seine Hauptfunktion ist jedoch, die Verkaufsprozesse zu planen und zu steuern. Und hierfür gilt es auch Vertriebskennziffern, also Key Performance Indicators (KPIs), zu definieren. Denn erst wenn die Einzelmaßnahmen mit Zahlen hinterlegt sind, ist die Basis für das Steuern des Vertriebserfolgs gelegt. Das heißt, man erkennt bei den Reviews schnell, welche Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg hatten, und kann im Bedarfsfall den Selling-Plan anpassen. Der Fokus des Controllings verschiebt sich also von der Ergebniskontrolle hin zu einer prospektiven Steuerung der Verkaufsprozesse. Dies ist gerade in Zeiten extrem erfolgsrelevant, in denen sich die Kundenbedürfnisse aufgrund externer Faktoren – wie zum Corona oder des Ukraine-Kriegs – sehr rasch wandeln.
Die Struktur eines Selling Plans
Im Idealfall lassen sich die Planungsergebnisse in Anlehnung an die Balanced Scorecard in folgenden vier Bereichen zusammenfassen:
- Betriebswirtschaftliche Ziele: Umsatz, Absatz, Marge, Deckungsbeitrag…
- Markt- und Kunden-Ziele: Zielregionen, -branchen, -anwendungen, Zielkunden…
- Prozess-Ziele: Anzahl Besuche bei Neukunden/Wettbewerberkunden, Hitrate der Angebote…
- Mitarbeiter-Ziele: Vertriebsmitarbeiter qualifizieren, motivieren, rekrutieren…
Ein Selling-Plan hat folgende grundsätzliche Struktur, die den Erfordernissen der jeweiligen Vertriebsorganisation angepasst werden muss:
- Planungs-Brief der Geschäftsleitung,
- Analyse der bisherigen Entwicklung des Verkaufs und der künftigen Potenziale,
- daraus abgeleitete Ziele und Maßnahmen mit Meilensteinen, strukturiert nach der Balanced Scorecard,
- Zielkunden-Pläne,
- Vertriebs-Cockpit mit den KPIs,
- Ausblick auf die strategischen Hauptaktivitäten für die nächsten drei Jahre.
Der Planungsprozess zum Selling-Plan
In das Erstellen eines Selling-Plans werden von der Geschäftsleitung bis zum Vertriebsmitarbeiter stufenweise alle eingebunden. Danach erfolgt die Kommunikation und Abstimmung mit den unterstützenden Bereichen wie Marketing, Produktion, Service und Personalwesen. Dies erhöht die Planungsqualität sowie Verbindlichkeit.
Fazit und praktische Erfahrung
Ein Selling-Plan schließt die strategische Planungslücke, die bei vielen im B2B-Bereich tätigen Unternehmen zwischen dem Business-Plan und der vertrieblichen Alltagsarbeit besteht. Verkaufsprozesse werden fortan geplant und prospektiv gesteuert statt Verkaufsergebnisse retrospektiv kontrolliert.
Ein Selling-Plan erleichtert den Vertriebsverantwortlichen zudem das Steuern des Vertriebserfolgs, weil sie eine Übersicht mit Kennzahlen über die geplanten und durchgeführten Maßnahmen haben. Deshalb können sie, bei Bedarf, wenn sich zum Beispiel der Markt stark verändert, auch rasch gegensteuern. Zudem können sie, da eine systematisierte Gesprächsgrundlage existiert, auch Mitarbeitergespräche effektiver und zielorientierter führen. Und die Vertriebsmitarbeiter? Sie erkennen durch den Selling-Plan Sinn und Plausibilität der Ziele und Maßnahmen und werden so motiviert.
(Autor: Peter Schreiber, Inhaber der B2B-Vertriebs- und Managementberatung PETER SCHREIBER & PARTNER in Ilsfeld bei Heilbronn. Er ist u.a. Dozent an der IHK-Akademie München in Westerham und Referent bei WEKA Industriemedien in Wien sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim.)
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