Entwicklung beim einseitigen Punktschweißen: neue Möglichkeiten für Leichtbau-Fügeprozesse
Die SLV Halle und Nimak haben ein System zum einseitigen Punktschweißen entwickelt, das einen technologischen Durchbruch beim Fügen im Schienenfahrzeugbau darstellt. In Zukunft soll es auch in der Luft- und Raumfahrt sowie bei der Fertigung von Bussen eingesetzt werden.
„Diese Innovation ermöglicht ab sofort Konstruktionsweisen, die vorher nicht denkbar waren“, sagt Tobias Broda, bis Ende des vergangenen Jahres Fachbereichsleiter Pressschweißen in der Abteilung Forschung und Entwicklung der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Halle. „Gerade bei der Verbindungstechnik im Schienenfahrzeugbau kommt das neue Verfahren einem technologischen Durchbruch gleich.“ Er spricht über eine gemeinsame Entwicklung mit der Nimak GmbH aus Wissen, nach eigenen Angaben einem der weltweit führenden Anbieter im Bereich der Widerstandsschweißtechnik sowie größten deutschen Hersteller von Roboter- und Handschweißzangen.
In Kooperation mit dem Unternehmen aus Wissen ist es Broda gelungen, ein einseitiges Punktschweißsystem mit thermoexpansionsbasierter Prozessregelung zu entwickeln. Die Idee zu diesem durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt basiert auf der ebenfalls von Nimak entwickelten „magneticDRIVE“-Technologie. Bei dieser können durch den Einsatz eines mikroprozessgesteuerten Elektromagneten erstmals nicht nur die Stromstärke, sondern auch die Kraft und der Kraftverlauf während des Pressschweißens gesteuert werden. Dadurch lassen sich ein besonders präziser und sanfter Kraftaufbau sowie individuelle Kraftprofile realisieren, was wiederum extrem kurze Fügeprozesse innerhalb von zehn bis 20 ms ermöglicht. „Dank des blitzschnellen Regelns des ,magneticDRIVE’ wird stets die programmierte Soll-Kraft gewährleistet“, ergänzt Kay Nagel, Vertriebsleiter bei Nimak.
Gerade in Branchen, für die Leichtbaukonzepte eine wichtige Rolle spielen, bietet die nun erfolgte Entwicklung beim einseitigen Punktschweißen völlig neue Möglichkeiten, so zum Beispiel im Schienenfahrzeugbau – der Kernkompetenz der SLV Halle –, wo Profilkonstruktionen und in Zukunft auch Rohrstrukturen zu erheblichen Gewichtseinsparungen führen können. Das bislang übliche zweiseitige Widerstandspunktschweißen stößt hier zunehmend an seine Grenzen, da die Fügestellen durch die bauliche Geometrie nicht erreichbar sind. Grundsätzlich ist das Widerstandsschweißen im Leichtbau sehr interessant, da dieses nach wie vor die wirtschaftlichste Verbindungstechnik ist und schnelle Fügeprozesse erlaubt. Insofern galt es, hierfür eine Lösung zu entwickeln, die zudem dem anspruchsvollen Werkstoff Aluminium gerecht wird und eine hohe reproduzierbare Qualität gewährleistet.
Einseitiges Punktschweißen mit thermoexpansionsbasierter Regelung
Weil anders als beim zweiseitigen Punktschweißen die beiden Elektroden beim einseitigen Fügen nicht mehr auf dem oberen und unteren Blech gegenseitig anliegen können, hat Nimak einen völlig neuen „Doppelpunkter“ entwickelt. Dabei ging es auch darum, die besondere Herausforderung des Punktschweißens von Aluminium zu bewältigen. Denn da Aluminium elektrischen Strom besonders gut leitet, ist es hier besonders schwierig, den Strom durch das obere und dann noch durch das untere Blech oder die Rahmenstruktur und wieder zurück zu leiten. Um hier qualitativ hochwertige Verbindungen zu erzeugen, muss mit besonders abgestimmten Schweiß-Kraftprogrammen gearbeitet werden. Genau das ist dem Unternehmen nun mit dem neuen „Doppelpunkter“ gelungen, der sich von herkömmlichen Doppelpunktanlagen durch den Einsatz von zwei „magneticDRIVE“-Kraft- und Nachsetzsystemen mit einer integrierten Kraftreglung anstelle von herkömmlichen pneumatischen oder elektromotorischen Einheiten unterscheidet.
Zugleich verfügt das „magneticDRIVE“-System über ein Wegmesssystem bzw. eine Sensorik, die es möglich macht, während des Schweißens die Ausdehnung der Schweißlinse zu messen. Das Ausmaß dieser Thermoexpansion hat Tobias Broda in dem gemeinsamen Projekt untersucht, um daraus eine Stellgröße für den Schweißprozess abzuleiten. Ziel seiner Arbeit war die Ausarbeitung einer sicheren Korrelation zwischen Ausdehnung und Schrumpfung sowie des Durchmessers der Linse. „Die Ergebnisse dieser Analyse haben wir bei der Programmierung der Thermo-Expansionsregelung einfließen lassen“, erläutert Nagel. „Auf dieser Basis kommen die jeweils optimalen Strom-, Zeit- und Kraftprofile im Verlauf des Schweißprozesses zum Einsatz.“ Das Weg- bzw. Stromsignal des Magneten werde insofern auch genutzt, um durch Kraftanpassung auf die Linsengröße Einfluss zu nehmen.
„magneticDRIVE“ wird jetzt also in zweifacher Hinsicht genutzt, zunächst beim Messen der wärmebedingten Ausdehnung der Schweißlinse, was bislang nicht berücksichtigt wurde, und schließlich bei deren Schrumpfung, bei der die Elektrode dann blitzschnell nachsetzt. Durch diese Kraftregelung ergibt sich ein noch besseres Schweißergebnis. Die Schweißung kann je nach Bauteildicke des Aluminiums mit Schweißstrom deutlich unter 50 kA erfolgen, was den Einsatz kleinerer Schweißtransformatoren und -inverter ermöglicht. Dies wiederum führt zu einer erheblichen Gewichtsreduzierung des Schweißsystems und begünstigt den Einsatz an Industrierobotern.
Qualitätsanforderungen im Schienenfahrzeugbau voll erfüllt
„Das Ziel des einseitigen Widerstandspunktschweißens mit thermoexpansionsbasierter Regelung ist es, eine optimale Schweißlinsengröße zu erzielen, die dann auch noch möglichst frei von Imperfektionen sein soll“, fasst Kay Nagel zusammen. „Durch die Möglichkeit, exakt messen zu können, wie stark sich die Schweißlinse ausdehnt und wie tief die Elektrode später in das Blech einsinkt, können wir genau sagen, ob die Schweißung den Ansprüchen genügt.“
Für den Schienenfahrzeugbau sei dies nachgewiesen worden, bestätigt der bisherige SLV-Fachbereichsleiter Broda. Nach DIN EN 15085 erfülle die neue Nimak-Schweißtechnik die vorgegebenen Vorschriften für den Schienenfahrzeugbau, in Deutschland insbesondere für die Deutsche Bahn. Die Qualitätsanforderungen seien erfüllt, da der Mindestdurchmesser der Schweißlinse und deren erforderliche Belastbarkeit erreicht werden. Auch die Prozessstabilität sei im Rahmen einer Verfahrensprüfung nach DIN EN ISO 15614 Teil 12 durch Sichtprüfung, Scherzugproben und Makroschliffe an einer Beispielverbindung nachgewiesen worden.
„Damit ist das neue Nimak-Schweißverfahren vermarktungsreif“, stellt Broda fest. Auch wenn es häufig eine geraume Zeit dauere, bis eine neue Technologie in der Praxis eingesetzt werde und der Schienenfahrzeugbau dabei generell eher zurückhaltend agiere, sieht Broda gute Perspektiven: „Bei einem kürzlichen Erfahrungsaustausch und einer Weiterbildung für Schweißaufsichtspersonen im Schienenfahrzeugbau in der SLV Halle ist die Entwicklung positiv und interessiert aufgenommen worden.“
(Quelle: Pressemitteilung der Nimak GmbH; www.nimak.de)
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