Gefährdungsbeurteilung: Seit 25 Jahren Pflicht
Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Element im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Unternehmen aller Branchen und Größen mit mindestens einem Beschäftigten müssen sie durchführen. In Pandemie-Zeiten gewinnt die Gefährdungsbeurteilung zusätzlich an Bedeutung, denn sie muss laufend an Infektionsgeschehen und geltende Vorschriften angepasst werden. Ziel ist, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten.
Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?
Die Gefährdungsbeurteilung umfasst das systematische Ermitteln und Beurteilen bzw. Bewerten möglicher Gefährdungen am Arbeitsplatz sowie das Festlegen erforderlicher Maßnahmen. Als Werkzeug zur Prävention können so Unfälle und Berufskrankheiten verhindert und verringert werden.
Die Gefährdungsbeurteilung kann sich auf Arbeitsplatz oder Arbeitsbereich, Tätigkeit, Arbeitsorganisation oder Themen beziehen. Im Fokus können auch Personen stehen, beispielsweise besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen wie Jugendliche, Schwangere, Stillende oder - im Hinblick auf die Corona-Pandemie - ältere Beschäftigte oder Mitarbeiter mit Vorerkrankungen.
Geltende Vorschriften
Die Gefährdungsbeurteilung wurde im Arbeitsschutzgesetz erstmals 1996 geregelt. Im Rahmen von Aktualisierungen folgte unter anderem eine verschärfte Dokumentationspflicht. Seit September 2013 müssen auch Gefährdungen betrachtet werden, die sich durch psychische Belastungen bei der Arbeit ergeben. Und schließlich rücken auch Aspekte des Alters sowie des Alterns der Beschäftigten in den Blick. So muss bei älteren Beschäftigten zum Beispiel auch das veränderte Seh- oder Hörvermögen bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Ziel ist eine ganzheitliche Betrachtung, nämlich die menschengerechte Gestaltung der Arbeit.
Gesetzliche Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung sind im Wesentlichen §§ 5-6 des Arbeitsschutzgesezes (ArbSchG): Laut § 5 ArbSchG muss der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
Gefährdungen können sich ergeben durch:
- Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
- physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
- Gestaltung, Auswahl und Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
- Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
- unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
- psychische Belastungen bei der Arbeit.
Neben der Arbeitsorganisation müssen daraus abgeleitete Gefährdungs- und Belastungsfaktoren betrachtet werden. Dabei sind Faktoren der Sammelbegriff für Gefährdungen beziehungsweise Belastungen, die durch gleichartige oder ähnliche Wirkungsweisen gekennzeichnet sind, zum Beispiel mechanische Gefährdung oder psychische Belastungsfaktoren.
Nach § 6 ArbSchG besteht Dokumentationspflicht. Während die Form nicht vorgegeben ist, sind die Inhalte festgelegt: Mindestens das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung müssen ersichtlich sein. Zusammengefasste Angaben bei gleichartigen Gefährdungssituationen sind zulässig. Die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ist auch ohne Unterschrift gültig, es empfiehlt sich jedoch, zu unterschreiben.
Pflichten des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist verantwortlich, dass Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt werden und zwar fachkundig. Nach § 13 Abs. 2 ArbSchG kann er zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, wie beispielsweise eine Fachkraft für Arbeitssicherheit. Allerdings muss er kontrollieren, dass Gefährdungsbeurteilungen tatsächlich durchgeführt werden. Für etwaige Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftatbestände muss der Arbeitgeber rechtlich einstehen (Garantenstellung).
Eine Gefährdungsbeurteilung muss erfolgen, bevor der Beschäftigte seine Tätigkeit beginnt.
Eine Aktualisierung ist vor allem erforderlich bei:
- der Neubeschaffung von Arbeitsmitteln,
- beim Einführen neuer Stoffe,
- bei der Änderung von Arbeits- und Verkehrsbereichen, von Arbeitsverfahren und Tätigkeitsabläufen (Prozesse), der Betriebsorganisation, von gesetzlichen Vorgaben und Einstufungen, des Standes der Technik sowie
- beim Auftreten von Unfällen, Beinaheunfällen, Berufserkrankungen und anderen Erkrankungen.
Umsetzung in der Praxis
Eine Gefährdungsbeurteilung muss für jeden Arbeitsplatz im Unternehmen durchgeführt werden, sobald mindesstens ein Mitarbeiter beschäftigt ist. Allerdings ist bei gleichartigen Arbeitsbedingungen die Beurteilung eines Arbeitsplatzes beziehungsweise einer Tätigkeit ausreichend und auch sinnvoll. Das Thema Mutterschutz muss in jeder Gefährdungsbeurteilung bearbeitet werden.
Die Vorgehensweise ist im ArbSchG nicht festgelegt, die ASR V3 (Technische Regel für die Gefährdungsbeurteilung) sieht jedoch folgende acht Schritte vor:
- Vorbereiten
- Ermitteln von Gefährdungen
- Beurteilen der Gefährdungen
- Festlegen von Maßnahmen
- Umsetzen der Maßnahmen
- Überprüfen der Wirksamkeit festgelegter Maßnahmen
- Dokumentieren
- Fortschreiben
Konkrete Pflichten für den Umgang mit Gefahrstoffen, das Betreiben von Arbeitsmitteln und Arbeitsstätten sind in GefStoffV, BetrSichV bzw. ArbStättV festgelegt. Dazugehörige Technische Regeln (TRGS, TRBS, ASR) liefern mögliche Maßnahmen und Hilfen für die Praxis.
Fazit
Die Gefährdungsbeurteilung ist Pflicht des Arbeitgebers: Für jeden Arbeitsplatz beziehungsweise jede Tätigkeit, das Verwenden von Arbeitsmitteln, den Umgang mit Gefahrstoffen und wenn besonders schutzbedürftige Personen beschäftigt werden, müssen Gefährdungen ermittelt und beurteilt sowie erforderliche Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Bei Änderungen muss eine Aktualisierung erfolgen. Technische Regeln konkretisieren Vorschriften im Arbeitsschutz und liefern Informationen für die Umsetzung in der Praxis.
(Quelle: Presseinformation der QUMsult GmbH & Co. KG)
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ArbeitsrechtArbeitsschutzGefährdungsbeurteilungGesundheitsschutz