Können Daten die schweißtechnische Produktion verbessern?
Fragt man die Eigentümer oder Betriebsleiter von Schweiß- oder Produktionsbetrieben nach ihrer Einschätzung, wie viel Prozent der Arbeitszeit ihre Mitarbeiter mit Schweißen verbringen, geben die meisten etwa 30 Prozent oder mehr an. Sieht man sich aber die direkt aus verbundenen Stromquellen erfassten Lichtbogenbrennzeiten an, stellt man fest, dass es beim manuellen MSG- und Fülldrahtschweißen im Schnitt tatsächlich nur 8–10 Prozent sind. Ohne die Kenntnis der tatsächlichen Zeiten und Kosten des Schweißens können die Eigentümer und Betriebsleiter dieser Unternehmen ihre Produktionspläne und -kosten gar nicht korrekt verwalten. Entweder stellen sie bei der Kalkulation von Aufträgen unrealistische Liefertermine auf oder sie täuschen sich selbst.
Produzenten nehmen ihren Ist-Zustand – also die tatsächlichen Grundbedingungen in ihrer Produktionsstätte – aus ihrem Instinkt heraus wahr und nicht aus Analysen. Davon abgesehen wissen sie zwar, dass die Kosten „sehr hoch“ sind, kennen aber deren wahren Umfang in Bezug auf Dokumentenmanagement, Einhaltung von Vorschriften und Normen, sowie Qualitätssicherung nicht.
Im Grunde geht es darum: Man kann nicht verbessern, was man nicht messen kann. Zur Lösung dieses Problems muss die Schweiß- und Fertigungsbranche aus der Frühphase der Onlinedatenmanagementlösungen herauswachsen und die Einführung von Technologien der Industrie 4.0 beschleunigen, die zunehmend einfacher umzusetzen sind. So ermöglichen die digitalen Lösungen von ESAB – wie etwa WeldCloud Productivity, WeldCloud Fleet, WeldCloud Notes und das Qualitätssicherungssystem WeldQAS von HKS – den Produzenten fortwährende Verbesserungen vier wichtigen Bereichen: Asset Management, Produktivität, Nachverfolgbarkeit/Dokumentation und Qualität.
Um den Anreiz zum Kennenlernen dieser Lösungen zu erhöhen, sollten Sie beachten, dass die maximal mögliche Lichtbogenbrenndauer für den manuellen Betrieb bei etwa 20 Prozent liegt. Mit einem Grundzustand von 8–10 Prozent haben Produzenten also reichlich Luft nach oben, um ihre Produktivität zu steigern, Kosten zu senken und ihre Reaktion auf Kundenanforderungen zu verbessern. Haben sie den Durchsatz beim manuellen Schweißen maximiert, haben sie außerdem gute Argumente für Investitionen in die Automatisierung.
Einfache Bereitstellung
Der Grund, warum Unternehmen keine Lösungen für das Datenmanagement einsetzen, die es eigentlich tun sollten, liegt häufig darin, dass sie die Kosten und die Komplexität fürchten und ihre Mitarbeiter den „Big Brother“, der sie überwacht. Obwohl eine Auftragswerkstatt mittlerer Größe nicht die IT-Ressourcen wie ein großes Baumaschinenunternehmen hat, sollte das aus mehreren Gründen kein Hindernis sein.
- Es gibt immer mehr digitale Schweiß- und Schneidsysteme mit einem werkseitig oder vor Ort installierbaren Kommunikationsmodul. Das Modul überträgt Daten über WLAN – demnach benötigt eine Werkstatt lediglich eine zuverlässige Internetverbindung.
- Für Unternehmen mit älterer, analoger Ausrüstung gibt es externe Verbindungsmodule zur Erfassung und Übertragung der Lichtbogenbrennzeiten und Spannungs- und Stromdaten. Sie lassen sich mit praktisch allen Stromquellen verbinden, die über einen Pluspol und einen Minuspol verfügen.
- Die Lösung WeldCloud von ESAB nutzt Cloud-Computing-Plattformen von vertrauenswürdigen Quellen, wie etwa Microsoft Azure. Die Anbindung an die Cloud vereinfacht die Bereitstellung. Bei allen Übertragungen kommen sichere Protokolle zum Einsatz und die Daten werden mit einem Passwort geschützt.
- Die Daten-Dashboards, auf die über Geräte mit Internetverbindung zugegriffen wird, sind überaus anwenderfreundlich. Mit einem Klick auf eine Schaltfläche lassen sich aussagekräftige Informationen darstellen, wie etwa Lichtbogenbrennzeit, Anzahl der Schweißvorgänge, Fehler und Drahtverbrauch. Ein Klick auf eine Artikelnummer verrät Ihnen, wer ein Teil wann verwendet hat – und das alles, ohne Daten manuell auslesen oder verändern zu müssen.
Anlagen- und Produktivitätsverwaltung
Nach Bereitstellung einer Lösung zur Datenverwaltung ist ein Unternehmen in der Lage, Grundzustände zu definieren und seinen realen stabilen Normalzustand einzurichten. Es muss sich nicht mehr auf anekdotische oder veraltete Daten darüber verlassen, was zur Fertigung der Produkte im Unternehmen tatsächlich benötigt wird. Die meisten Unternehmen beginnen damit, im Schichtverlauf die Lichtbogenbrenndauer oder die Zeiten zu messen, zu denen ihre Schweißer das Schweißen beginnen und beenden.
Es ist wichtig, dass Manager die Informationen auf eine Art vermitteln, die zeigt, dass sie die Herausforderungen verstehen, denen Schweißer begegnen und mit ihnen gemeinsam an der Behebung der eigentlichen Ursachen von Problemen zusammenarbeiten möchten. Hat beispielsweise ein Schweißer eine niedrige Lichtbogenbrennzeit, kann die eigentliche Ursache die lange Wartezeit sein, bis der Kran die Teile bewegt hat, das Wegschleifen von Spritzern oder es liegt am Ausgleichen einer mangelhaften Anfasung. In diesen Fällen kann der Manager das Problem lösen, indem er weitere Krane hinzufügt, in Draht mit geringer Spritzerbildung investiert oder ein automatisiertes Fasenschneidsystem einsetzt.
Von den Nutzern von WeldCloud haben wir erfahren, dass Schweißer häufig mit den immer gleichen Problemen zu kämpfen haben, ohne dass die Informationen darüber ihren Weg ins Management finden. Datenanalysen fördern Probleme zutage und begünstigen eine bessere Kommunikation. Wenn Schweißer und Betriebsleiter zusammenarbeiten, können sie Ausschuss vermeiden und die Produktivität steigern. Das führt dann zu insgesamt leichterer Arbeit und der Frust schwindet.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Zustandsbewertung Ihres Maschinenparks durch die Berichtserstellung zu Ereignissen und Nachrichten. Automatische Warnmeldungen als Text- und E-Mail-Nachrichten ˜ wie etwa für ein System, das plötzlich ausgefallen ist oder außerhalb der vorgegebenen Parameter arbeitet – werden zu Standardfunktionen.
Dokumentation und Nachverfolgbarkeit
Die in den Bereichen Energie, Windkraftanlagen, Offshore, Druckbehälterbau und anderen Branchen erforderliche Dokumentation und Nachverfolgbarkeit erzeugt haufenweise Papier. Die meisten Hersteller betrachten sie als unproduktive Zeit, trotzdem wächst der Bedarf an Dokumentation und Nachverfolgbarkeit immer weiter. Neue Technologien ermöglichen den Einsatz verschiedenster Mittel, wie etwa eine mobile App, mit der Sie Barcodes an allen Komponenten, Bedienerausweisen, Stromquellen, Verbrauchsmaterialien und Schutzgasflaschen in Verbindung mit einem Schweißvorgang scannen können. In Kombination mit Schweißparametern (im Folgenden erläutert) kann ein Hersteller die Prozesse automatisieren, die ansonsten kostspielig, umständlich und anfällig für menschliche Fehler sind.
Eine kürzlich vorgestellte Lösung ist die Software zur Verwaltung von WPQRs und WPSWeldCloud Notes. Dieses Online-Werkzeug hilft Unternehmen, folgende vier wesentliche Aufgaben besser erfüllen zu können:
- Qualitätssicherung und Einhaltung von WPQR-Dokumenten (Berichte über die Qualifizierung des Schweißverfahrens) und WPS-Dokumenten (Schweißanweisungen) an einem Ort
- Effiziente Prüfung aller Informationen in WPQR, WPS und Schweißerprüfungen mit einer schnellen und einfachen Suchfunktion (Video ansehen)
- Erstellen von WPQR- und WPS-Dokumenten, sowie Schweißerprüfungen mit allen wesentlichen Variablen
- Vermeiden des Ablaufs von Qualifizierungsdokumenten und Verhindern von Zeit und Geldverschwendung durch unnötiges Requalifizieren von Schweißern
Dieses Werkzeug bietet vollständige Einhaltung von Bauvorschriften und Normen der Schweißtechnik. Es ermöglicht Herstellern die Nachverfolgung der Produktivität von einzelnen Schweißsystemen und Schweißern, die Eingabe von Schweißnahtdaten und die Verwaltung von Kalibrierungsdatensätzen für einen ganzen Schweißmaschinenpark. Außerdem ermöglicht es jeder für das Projekt wichtigen Person, Zugang zu Informationen zu erhalten, nach den richtigen Qualifikationen zu suchen, Schweißverfahren zu erstellen, Schweißprotokolle einzuführen, die Produktion nachzuverfolgen und für alle abgeschlossenen Aktivitäten Berichte auszudrucken.
Ein Online-Werkzeug wie dieses richtet sich insbesondere an Personal zur Qualitätsüberwachung, weil es sie in die Lage versetzt, den Produktionsstatus in allen Werkstätten zu überprüfen, Produktionsengpässe zu erkennen und Reparaturraten zu senken. Anschließend können sie unwirtschaftliche Verfahren aussortieren und Schweißer mit zusätzlichem Schulungsbedarf oder anderen Stärken identifizieren. Schweißingenieure können das Online-Werkzeug zum Vergleich und zur Analyse von Projektanforderungen nutzen und sie mit den WPQR- und WPS-Dokumenten oder Schweißerprüfungen in ihren Unternehmen abgleichen. Außerdem können sie Unternehmensdatensätze nach Grundwerkstoffen oder Schweißzusätzen (und anderem) durchsuchen. Mit der WPQR- und Schweißerprüfung-Software können Sie Schweißanweisungen auf Basis von Qualifikationen erarbeiten, wesentliche Variablen hinzufügen, Geltungsbereiche berechnen und ein PDF-Dokument mit allen Informationen erstellen.
Qualität
Einen ersten Schritt zum Erreichen einer gleichbleibenden Schweißqualität stellt die Verknüpfung von Variablen in der Produktion mit Ergebnissen dar. Auch nachdem ein Werkstück fertiggestellt oder zur Weiterbearbeitung die Produktionslinie entlang geschickt wird, bleibt die Überwachung der Schweißqualität bestehen. Ein Qualitätssicherungssystem, das auf dem Blick in den Rückspiegel basiert, ist teurer, insbesondere dann, wenn mehrere fehlerhafte Teile auftauchen.
Im Gegensatz dazu kann ein Datenüberwachungssystem dem Schweißer oder Manager Informationen in Echtzeit bereitstellen. Es kann eine überaus wertvolle Information sein, einen Schweißfehler in der Wurzellage einer Zentimeter dicken Naht sofort zu entdecken und nicht erst nach dem Schweißen der Decklage. Weil schon in einem mechanisierte System auch die Vorschubgeschwindigkeit erfasst wird, kann der Bediener die Position eines Fehlers in einer großen Naht erkennen.
Einige Online-Verwaltungssysteme können Daten mit einer Rate von bis zu 1 Hz (und manchmal noch langsamer) erfassen und protokollieren. Das ist ausreichend, wenn die Entscheidungen generell auf einer allgemeineren Ebene getroffen werden (die Lichtbogenbrenndauer oder das System haben einfach einen Fehler aufgezeichnet). Um aber Ingenieuren und der Qualitätssicherung bei ihrer Entscheidungsfindung helfen zu können, ist ein Echtzeit-Schweißqualitätssystem mit einer höheren Aufzeichnungsrate erforderlich. Ein solches Qualitätssicherungssystem ist das HKS WeldQAS, das Daten mit einer Rate von bis zu 23 kHz und schneller erfassen kann. Durch den Vergleich der gemessenen Parameter mit Referenzkennlinien berechnen solche Systeme Qualitätsmarker für jede Schweißnaht und schlagen bei Unregelmäßigkeiten sofort Alarm. Zu den erkannten Fehlern gehören mangelhafte Lichtbogenzündungen, Porositäten, Durchbrände, zu lange oder zu kurze Nahtlängen und Nahtunterbrechungen.
Produktion im Mittelpunkt
In einer Zeit, in der Schweiß- und Schneidgeschwindigkeiten ihre physikalischen Grenzen erreichen und fähiges Personal dringend gesucht wird, werden digitale Technologien wie das IoT (Internet of Things) und Qualitätsüberwachung in Echtzeit der nächsten Generation geschäftlicher Verbesserungen den Weg bereiten. Wo die Bereitstellung und Analyse von Daten mit einem einfachen Klick verfügbar ist, versetzen digitale Lösungen Produzenten in die Lage, intelligente Entscheidungen auf Grundlage präziser Informationen zu treffen. Auf diese Weise können sich Produzenten verbessern, noch produktiver sein und ihren datengestützten Vorteil voll ausschöpfen.
(Quelle: ESAB Welding & Cutting Products, Autor: Jon Hofmann, Global Product Director der Digital Solutions bei ESAB)
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