VWTS: Mehr Zeit am Lichtbogen
Die Qualifizierung von Schweißern ist seit vielen Jahren unverändert. Doch vor allem junge Leute lernen heute anders. Sie erwarten selbstgesteuerte Lernsituationen, eine moderne Didaktik und den Umgang mit neuen digitalen Medien. Digitale Schweißsimulatoren schließen diese Lücke. Gleichzeitig helfen solche Systeme dabei, dem Fachkräftemangel zu begegnen und die Zeit am Lichtbogen deutlich zu erhöhen.
Innovative Technologien, Lösungen und Strategien bestimmen die Fabrik der Zukunft. Hierzu gehört auch die Ausbildung von Schweißern, die aktuell mit besonderen Herausforderungen einhergeht. Vermehrter Fachkräftemangel, demografischer Wandel und Digitale Transformation sind nur einige Themen, die vermehrt adressiert werden müssen. Hinzukommen immer höhere Anforderungen von Industrie und Handwerk an die Ausbildung und Qualifizierung, die einem sinkenden Interesse vieler Jugendlicher und traditionellen Ausbildungsstrukturen in diesem Bereich gegenüberstehen. Überalterung, Wissensverlust und eine verringerte Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sind die Folge. Innovative Technologien und moderne didaktische und methodische Konzepte können hier Abhilfe schaffen. Der DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V. ist hier weltweiter Vorreiter in der digitalen Transformation und Wegbereiter für modernes Training auf diesem Gebiet.
Intensive Betreuung erforderlich
Die Qualifizierung von Schweißern ist seit vielen Jahren nahezu unverändert. Aus- und Weiterbildung erfolgen unter intensiver Anleitung von erfahrenen Schweißlehrern. Vormachen und Nachmachen sowie das Üben der motorischen Handfertigkeiten stehen im Vordergrund. Die Ausbildung von Schweißern ist dabei durch lange Ausbildungszeiten, viele Verbrauchsmaterialien sowie einen hohen Einsatz von Personal sowie Energie recht teuer. Besonders in der Anfangsphase muss der Teilnehmer intensiv betreut werden. Zugleich wird den Schweißern heute mehr Fachwissen über Verfahren, Werkstoffe und Einsatzmöglichkeiten abverlangt. Deshalb sollte die Ausbildung modernisiert werden.
Junge Menschen lernen heute anders: Sie erwarten selbstgesteuerte Lernsituationen, den Umgang mit neuen digitalen Medien und moderne Didaktik. Die Ausbilder stehen hier vor der Herausforderung, ihre Lehr- und Lernmethoden zu überprüfen und sich von einem Ausbilder, der Handfertigkeiten vermittelt, zum Lernbegleiter zu entwickeln, der die Auszubildenden individuell zum Lernerfolg führt. Das Spannungsfeld und die Anforderungen an die Schweißerausbildung sind dabei groß: Strenge Vorgaben (DIN EN 1090) treffen auf hohe Qualitätsanforderungen. Das sind Aufgaben, die es mithilfe neuer Werkzeuge und Konzepte zu lösen gilt.
3D- und AR-basierte Schweißtrainersysteme verändern Ausbildung
Abhilfe schaffen moderne Schweißtrainersysteme. Die neuen virtuellen Schweißtrainer sind dabei in zwei grundlegend unterschiedliche Technologien unterteilt: Herkömmliche 3D-Systeme entführen den Anwender quasi in eine komplett virtuelle Welt. Der Fokus liegt hier auf dem Erlernen der motorischen Handfertigkeiten.
Im Gegensatz dazu arbeiten AR-basierte Systeme mit einer „gemischten Realität“, in der nur das Werkstück animiert wird. Dies ermöglicht das realitätsnahe Schweißen, um schneller, kostengünstiger und effizienter die Praxis in der Schweißerausbildung zu vermitteln – das sogenannte „Augmented Training“.
Viel Zeit an der Schweißnaht
Das überwiegend selbstgesteuerte und intuitive Training am Simulator bietet wesentlich mehr Zeit am Lichtbogen, da Vor- und Nacharbeiten entfallen und das nächste Werkstück zum Üben schnell zur Verfügung steht. Dies führt zu mehr Übungszeit und einem schnelleren Erreichen des Ziels. Die Arbeit mit dem Simulator ermöglicht zudem ein effektives praktisches Training der theoretischen Grundlagen in Verbindung mit passenden praktischen Übungsaufgaben: moderne Theorievermittlung mit viel Zeit an der Schweißnaht. Durch den Einsatz des Simulators trainieren die Teilnehmer schneller und motivierter. Hohe Wiederholbarkeit von Schweißnähten in kurzer Zeit, Wegfall von Rüstzeiten und Werkstückvorbereitung sowie gezieltes individuelles Training der Motorik am Simulator unterstützen einen hohen Lernerfolg.
Soldamatic-Training für verschiedene Verfahren
An Simulationswerkstücken und Simulationsbrennern für verschiedene Halbzeuge (Kehlnaht am Blech, Kehlnaht an Rohr – Platte, Stumpfnaht am Blech, Stumpfnaht am Rohr und künftig auch an individuellen Bauteilen) sowie mithilfe verschiedener Verfahren wie MAG, WIG oder E-Hand können die Anwender mit dem Soldamatic-Trainer in unterschiedlichen Qualifizierungsleveln trainieren. Dabei zeichnet das System die Simulationsschweißungen auf und dokumentiert sie.
Mittels Lehrersoftware können die Schweißlehrer Unregelmäßigkeiten erkennen und über das Fehlerbild des Teilnehmers die Unregelmäßigkeiten direkt mit dem Lehrgangsteilnehmer auswerten. Mit dieser Methodik werden die Koordinationsprozesse beim Schweißen besser unterstützt, und die Lehrgangsteilnehmer schneller an die Lehrgangsziele herangeführt.
Neben dem zweifelsfrei wichtigen Spaßfaktor bringen die neuen Schweißtrainer weitere Vorteile: So sinken die Kosten der Ausbildung, der Zugang zum Schweißen wird erleichtert und die Motivation der Teilnehmer steigt. Gleichzeitig bietet das simulationsgestützte Training eine Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken und die Digitalisierung voranzutreiben.
AR-Technologie und neue Lehrmaterialien
Hinzukommt, dass es nicht nur um das praktische Schweißen geht. Die neuen Systeme bieten ein komplettes digitalisiertes Lehr- und Lernkonzept mit einer eingebundenen E-Learning-Plattform sowie einem modernen Learning-Management-System. Für dieses Konzept wurden von DVS Media Lehrmaterialien für die drei grundlegenden Schweißverfahren (Metall-Aktivgas (MAG)-, Wolfram-Inertgas (WIG)- und Lichtbogenhandschweißen) entwickelt und in das „Soldamatic“-Training
integriert. Die Vermittlung von Theorie in Anlehnung an die Richtlinie DVS 1111 und der dazu passenden Schweißaufgaben in der Praxis kann so zeitnah am Simulator stattfinden.
Außerdem kann der Ausbilder auch eigenes Lehr- und Lernmaterial in das System integrieren. Die ökonomischen, ökologischen und pädagogischen Vorteile sind vielfältig. Die AR-Technologie, gepaart mit neuem Lehrmaterial, transformiert aktuell die Qualifizierung von Schweißfachkräften.
Zertifizierung Schweißlehrer VWTS
Der Einsatz moderner Schweißsimulatoren ist heute fester Bestandteil in der Qualifizierung von Schweißwerkmeistern und DVS-Schweißlehrern; seit 2018 gibt es sogar eine Zusatzzertifizierung zum Schweißlehrer VWTS (nach Richtlinie DVS 1160). Der DVS ist hier weltweit federführend in der Umsetzung digitaler simulationsgestützter Trainingskonzepte für die Qualifizierung hochkarätiger Fachkräfte. Einige DVS-Bildungseinrichtungen arbeiten bereits mit AR-gestützten Systemen und digitalen Konzepten. Auch beim Einsatz und der Implementierung der VWTS-Systeme gibt der
DVS weltweit den Ton an. Mit der Integration in die Qualifizierungsrichtlinien für Schweißwerkmeister, der Festlegung von Standards und der neuen Zertifizierung für Schweißlehrer VWTS hat der DVS hier Maßstäbe gesetzt.
Die Ende Januar 2021 neu gegründete EWF-Arbeitsgruppe 1.20 (Virtual Welding Training Systems) hat sich in diesem Zusammenhang zum Ziel gesetzt, die in Deutschland und anderen Ländern erworbenen Erfahrungen und Entwicklungen zu nutzen und daraus eine Handlungsempfehlung auf europäischer Ebene zu entwickeln. Standards und Zertifizierungen sollen festgelegt, und so der Einsatz von virtuellen Schweißtrainersystemen auch international gefördert werden.
(Quelle: WeldPlus GmbH, Autorin: Anke Richter, Geschäftsführerin/CEO)
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