Management
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10.12.2022

Außendienstmitarbeiter im Vertrieb coachen

Außendienstmitarbeiter im Vertrieb coachen

Die Digitaltechnik bietet Führungskräften im Vertrieb viele neue Möglichkeiten, ihre Mitarbeiter auch im Außendienst prozessbegleitend zu coachen. Diese sollten sie nutzen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hierfür qualifizieren.

Unternehmen, die ihre Produkte weitgehend über Außendienstmitarbeiter vertreiben, kämpfen beim Sichern der Qualität in ihrem Vertrieb oft mit folgendem Problem: Ihre Verkäufer

  • sind oft in der gesamten DACH-Region, wenn nicht gar europa- oder weltweit im Einsatz und
  • agieren im Arbeitsalltag weitgehend als Einzelkämpfer.

Deshalb können die Unternehmen ihr Verhalten schwer steuern – obwohl heute dank der Digital-Technik viel mehr Möglichkeiten existieren, Mitarbeiter auf Distanz zu führen, als noch vor ein, zwei Jahrzehnten. Trotzdem ist auch im Außendienst ein systematischer Kompetenzauf- und -ausbau nötig. Denn oft sind die Außendienstmitarbeiter die zentralen, wenn nicht gar einzigen persönlichen Ansprechpartner der Kunden beispielsweise in einer Region. Deshalb hängt neben dem Image auch der Vertriebserfolg der Unternehmen stark von ihrem Verhalten ab.

Außendienstschulung kostet Zeit und Geld

Das wissen die Unternehmen. Deshalb investieren die meisten von ihnen viel Zeit und Geld in das Schulen ihres Außendiensts. Dabei kämpfen sie oft mit dem Problem: Sie können ihre Verkäufer im Außendienst nicht allzu häufig zu Schulungen in ihren Zentralen einbestellen. Denn dies wäre wegen der langen Anreisen mit zu hohen Kosten verbunden. Außerdem kommunizieren und konferieren die Außendienstmitarbeiter an Schulungstagen nicht mit Kunden. Also verdienen sie bei einer provisionsabhängigen Bezahlung auch kein Geld. Deshalb opponieren sie oft gegen zu viele Schulungstage.

Auch deshalb haben heute die meisten Unternehmen mit einem großen Außendienst eine elektronische Lernplattform für ihre Mitarbeiter. Doch das eigenständige Online-Lernen der Vertriebsmitarbeiter mit elektronischen Lernmedien stößt rasch an seine Grenzen, wenn diese bei ihren Lernprozessen nicht professionell angeleitet und begleitet werden. Dann steigt zwar meist ihr kognitives Know-how, ihre verkäuferische Kompetenz jedoch oft nicht.

© pixabay.com/Maicon Fonseca Zanco
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Führungskräfte sollen ihre Mitarbeiter coachen

Deshalb entschieden in den zurückliegenden Jahren viele Unternehmen: Unsere Führungskräfte im Vertrieb, also zum Beispiel die Gebietsleiter, sollen ihre Mitarbeiter coachen – und zwar nicht nur in Präsenz-Veranstaltungen, sondern zunehmend auch online im Vertriebsalltag. Davon erhofften sie sich folgende Vorteile:

  1. Die verkäuferische Kompetenz der Außendienstmitarbeiter wird mit System erhöht.
  2. Bei ihnen stellt sich mit der Zeit die im Kundenkontakt nötige Verhaltenssicherheit ein. Und:
  3. Weil das Coachen vertriebsprozess-begleitend durch die unmittelbaren Vorgesetzten erfolgt, können bei der Kompetenzentwicklung auch stärker zum Beispiel die Besonderheiten einer Region oder Kundengruppe berücksichtigt werden. Zudem kann zeitnäher auf solche marktverändernden Ereignisse wie die aktuelle Energiekrise und die hohe Inflation reagiert werden.

Die Praxis zeigt jedoch: Den meisten Führungskräften im Vertrieb fällt das Coachen insbesondere ihrer Außendienstmitarbeiter schwer. Eine Ursache hierfür: Viele Unternehmen agieren beim Vorbereiten ihrer Führungskräfte auf ihre Coachingfunktion ähnlich wie beim Vorbereiten ihrer Verkäufer auf ihre Verkäuferaufgaben. Sie schicken die Führungskräfte in ein, zwei mehrtägige Seminare. Danach werden sie auf die „Kunden“, sprich Mitarbeiter, losgelassen.

In solchen Kompakt-Ausbildungen erfahren die Führungskräfte, warum ein Coachen der Mitarbeiter wichtig ist. Sie lernen meist zudem die relevanten Coachingmethoden kennen. Außerdem trainieren sie nicht selten den Umgang mit den beim Online-Coachen genutzten Tools. Doch damit sind die Führungskräfte noch nicht für ihre Arbeit als (Online-)Coaches qualifiziert. Denn wenn eine Führungskraft zugleich Coach ihrer Mitarbeiter sein soll, benötigt sie ein neues Selbstverständnis. Sie sollte es zum Beispiel als eine ihrer Kernaufgaben begreifen, Lern- und Entwicklungsprozesse bei den Mitarbeitern anzustoßen und zu begleiten. Und dies setzt ein verändertes Führungsverhalten voraus.

Führungskräfte sollten ihr Verhalten reflektieren

So müssen sich die Führungskräfte zum Beispiel häufiger mit ihren Mitarbeitern – sei es persönlich oder online – treffen und mit ihnen darüber sprechen,

  • vor welchen (neuen) Herausforderungen sie bei ihrer Arbeit stehen,
  • wie diese gelöst werden können und
  • welche Unterstützung sie hierfür benötigen.
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Sie sollten ihre Mitarbeiter außerdem häufiger zu Kunden begleiten bzw. ihren per Telefon oder Videokonferenz geführten Kundengesprächen lauschen,

  • um anschließend das Verkäuferverhalten im Kundenkontakt gemeinsam zu reflektieren,
  • daraus Coachingziele abzuleiten und
  • diese bei den nächsten Terminen zu bearbeiten.

Formal tun dies viele Führungskräfte. Doch häufig haben sie ihre Rolle als Coach noch nicht verinnerlicht. Deshalb verfallen sie beim Coachen schnell in ihr altes Führungsverhalten – speziell dann, wenn sie selbst beispielsweise aufgrund solcher marktverändernden Ereignisse wie der Corona-Pandemie oder des Ukraine-Krieges bzw. deren Folgen unter einer hohen Anspannung stehen. Das heißt, sie geben ihren Mitarbeitern vor, was diese künftig tun sollen, statt Lern- und Entwicklungsprozesse bei ihnen anzustoßen. Und statt ihre Mitarbeiter zu ermutigen, eigenständig nach Problemlösungen zu suchen, weisen sie diese lehrerhaft auf Fehler hin. Dies führt zu einem Gefühl der Bevormundung bzw. Gängelung bei ihnen – auch weil die Führungskräfte ihren Mitarbeitern nicht ausreichend vermitteln, dass Ziel des Coachens nicht ein verstärktes Kontrollieren der Außendienstmitarbeiter ist. Das Ziel lautet vielmehr: Die Vertriebsmitarbeiter sollen beim Entwickeln ihrer Kompetenz unterstützt werden, so dass sie künftig, in einem sich rasch verändernden Markt noch erfolgreicher arbeiten und folglich mehr Geld verdienen – ein Punkt, der im stark erfolgsabhängig bezahlten Außendienst ein starker Motivator ist.

Die Coachingkompetenz mit System entwickeln

Dass die Coachingkompetenz der Führungskräfte mit System entwickelt werden sollte, ist inzwischen den meisten Unternehmen bewusst. Deshalb bilden immer mehr ihre Führungskräfte berufsbegleitend zu Vertriebscoaches aus. Das heißt, sie werden über einen längeren Zeitraum – zum Beispiel zwölf Monate – für ihre Coachingaufgabe qualifiziert und zwar in modularen Ausbildungen. Das erforderliche Coaching-Knowhow wird den Führungskräften also in wohldosierten Häppchen vermittelt. Und ihre Coachingkompetenz? Sie wird weitgehend anhand konkreter Aufgaben, vor denen sie im Arbeitsalltag stehen, entwickelt. Dabei wird prozessbegleitend auch ihr Führungsverhalten reflektiert, so dass sich mit der Zeit ihr Selbstverständnis als Führungskraft wandelt und bei ihnen die erforderliche Verhaltenssicherheit beim Coachen entsteht.

Den Führungskräften wird zudem vermittelt, dass sich nicht nur ihre Coachingkompetenz Schritt für Schritt entwickelt. Dasselbe gilt für die verkäuferische Kompetenz ihrer Mitarbeiter. Also gilt es auch für sie Entwicklungspfade zu definieren, bei denen die Einzelmaßnahmen so aufeinander aufbauen, dass sich ihr Verhalten nachhaltig ändert. Hierfür ein Beispiel.

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Die Kompetenz der Verkäufer gezielt ausbauen

Angenommen die Verkäufer im Außendienst sollen künftig im Kundenkontakt systematischer die Umsatzpotenziale der (Noch-nicht-)Kunden ermitteln und diese stärker ausschöpfen. Dann könnte der Entwicklungspfad wie folgt aussehen.

Schritt 1: Vorgespräche. Die Führungskraft stellt ihren Mitarbeitern die geplante Offensive vor und erläutert ihnen die damit verbundenen Ziele. Danach erörtert sie mit ihnen, welchen Entwicklungsbedarf sie zum Erreichen der Ziele noch bei sich sehen

Schritt 2: Maßnahmenplanung. Die Führungskraft entwickelt (mit den Mitarbeitern und/oder der Zentrale) einen Maßnahmenplan zum Erreichen der Ziele. Zudem vereinbart sie mit jedem Mitarbeiter individuelle Entwicklungsziele und Unterstützungsmaßnahmen.

Schritt 3: Kick-off. In einem Workshop stellt die Führungskraft den Verkäufern den Maßnahmenplan vor. Danach werden erste Rollenspiele durchgeführt, in denen die Verkäufer das Vorgehen und Verhalten im Kundenkontakt simulieren.

Schritt 4: Training und Coaching on the job 1. Die Führungskraft begleitet die Verkäufer bei Kundenbesuchen und nimmt an Telefon- oder Videokonferenzen von ihnen mit Kunden teil. Danach gibt sie ihnen ein Feedback. Außerdem trainiert sie mit ihnen nochmals das gewünschte Verhalten und vereinbart mit ihnen Entwicklungsziele, die beim nächsten Coachingstermin erreicht sein sollen.

Schritt 5: Training und Coaching on the job 2. Die Führungskraft begleitet die Verkäufer erneut zu Kunden oder lauscht Kundengesprächen von ihnen und gibt ihnen Feedback. Danach trainiert sie mit ihnen wieder das gewünschte Verhalten. Außerdem vereinbart sie mit ihnen erneut individuelle Entwicklungsziele und Maßnahmen, damit das bereits gezeigte neue Verhalten zum Standard wird.

Schritt 6: Evaluation der Qualifizierungsmaßnahme. Nachdem alle vereinbarten Entwicklungsmaßnahmen stattgefunden haben, analysiert die Führungskraft (mit ihren Mitarbeitern), inwieweit sich das Verhalten der Verkäufer tatsächlich geändert hat und die Ziele der Gesamtmaßnahme erreicht wurden. Abhängig davon entscheidet sie, an welchen Punkten ein Nachjustieren sinnvoll wäre.

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Auch die Führungskräfte profitieren vom Coaching

Das Coachen und Unterstützen der Mitarbeiter beim Weiterentwickeln ihrer Kompetenz erfordert von ihren Führungskräften gerade zu Beginn eine hohe Investition an Zeit – Zeit, die ihnen, so ein häufiger Einwand, im Arbeitsalltag oft fehlt. Deshalb sollte den Führungskräften in ihrer Coaching-Ausbildung vermittelt werden, wie wichtig das Wahrnehmen dieser Funktion für den mittel- und langfristigen Erfolg des Unternehmens ist – gerade in einer Zeit, in der sich die Marktstrukturen und Kundenbedürfnisse immer schneller wandeln, weshalb die Verkäufer im Kundenkontakt auch agiler agieren müssen. Außerdem sollten den Führungskräften Wege aufgezeigt werden, ihren Arbeitsalltag so zu strukturieren, dass sie auch ihre Coachingfunktion erfüllen können.

Vermittelt werden sollte ihnen zudem, dass das systematische Entwickeln der Kompetenz ihrer Mitarbeiter mittelfristig zu einer Entlastung von ihnen führt. Denn je qualifizierter ihre Mitarbeiter sind und je professioneller diese ihre Aufgaben wahrnehmen, umso seltener müssen sie korrigierend und unterstützend eingreifen. Außerdem steigt, wenn ihre Mitarbeiter aufgrund ihrer Kompetenz eigenverantwortlicher und zielorientierter im Markt agieren, nicht nur deren Umsatz und Provision, sondern auch ihr Einkommen. Denn die Vergütung der Führungskräfte im Vertrieb ist meist stark an der Performance ihrer Mitarbeiter gekoppelt. Auch deshalb lohnt sich für sie die Investition von Zeit.
Hans-Peter Machwürth

(Autor: Hans-Peter Machwürth, Geschäftsführer des international agierenden Trainings- und Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede (www.mticonsultancy.com).)

Schlagworte

DigitaltechnikQualitätssicherungVertrieb

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