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05.12.2022

Gaskrise führt zu gedrosselter Produktion

Gaskrise führt zu gedrosselter Produktion

Aufgrund der erwarteten Gas-Versorgungslage für diesen Winter hat jedes vierte größere mittelständische Unternehmen im produzierenden Gewerbe die Produktion bereits heruntergefahren (15 Prozent) oder plant dies kurzfristig (neun Prozent). Preissteigerungen zum Auffangen der zusätzlichen Energiekosten konnten 29 Prozent der befragten Unternehmen aller Branchen durchsetzen. Aus ökologischer Sicht ein positives Signal: Nahezu die Hälfte (44 Prozent) der Unternehmen haben zuletzt in alternative regenerative Energieträger investiert, 28 Prozent planen dies derzeit. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen branchenweiten Befragung deutscher Unternehmen des Umfrage- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch.

„Wenn man zuletzt gelesen hat, deutsche Unternehmen würden Energie einsparen, dann ist vielfach mit Produktionsdrosselungen zu übersetzen gewesen“, sagt Steffen Puhlmann, Experte für Energie und Klima bei FTI-Andersch, der auf Restrukturierung, Business Transformation und Transaktionen spezialisierten Beratungseinheit von FTI Consulting in Deutschland. „Aufgrund der komplexen Situation geprägt durch Lieferengpässe, Materialknappheit, Inflation, Konsumrückgang und geopolitische Risiken lässt sich noch nicht genau abschätzen, ob, wann und in welcher Intensität das Fehlen dieser Produktionsmengen auch bei Endkunden ankommen wird. Es ist jedoch zu konstatieren, dass geplante Umsätze zuletzt nicht erzielt werden konnten. Dies kann und wird einige Unternehmen in Schieflage bringen.“

Immerhin: 60 Prozent der befragten produzierenden Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 40 Mio. und 1 Mrd. Euro schließen bisher aus, ihre Produktion vorübergehend zurückzufahren. Und die schwierige Situation hat dazu geführt, dass eine signifikante Anzahl an Unternehmen die Produktion noch energieeffizienter gemacht hat: 38 Prozent haben angegeben, bereits Investitionen zur Effizienzsteigerung der Wärmenutzung in der Produktion getätigt zu haben, 16 Prozent führen dies gerade durch und 17 Prozent planen diese Investitionen. „Dies kann und wird zu langfristigen Reduktionen führen, die sich positiv auf Öko-Bilanz und natürlich auch auf die Kosten auswirken“, sagt Steffen Puhlmann. „Und diese Zahlen machen Mut: Wenn es wirklich ernst wird, dann wachsen deutsche Unternehmen und Unternehmer über sich hinaus und arbeiten am Heben bisher nicht gekannter Effizienzen. Ein wichtiges positives Signal in dieser so schwierigen Zeit.“

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Kein Comeback fossiler Energieträger: 72 Prozent aller befragten Unternehmen investieren in grüne Energie

Ein ebenso klares Signal setzen die von Forsa befragten Unternehmen aller Branchen – nicht nur im produzierenden Gewerbe – beim Einsatz alternativer Energieträger zu Gas. Eine deutliche Mehrheit von 72 Prozent setzt als Alternative regenerative Energieträger ein: 44 Prozent haben dies bereits umgesetzt, jedes vierte Unternehmen (28 Prozent) plant dies kurzfristig. Im Vergleich dazu: Nur ein Drittel ersetzt fehlendes Gas mit fossilen Energieträgern, gerade einmal 14 Prozent planen diesen Schritt. 40 Prozent schließen fossile Energie sogar vollständig aus.

„Die öffentliche Debatte über das Comeback der fossilen Energie bildet die Realität nicht ab“, sagt Steffen Puhlmann. „Die Forsa-Erhebung verdeutlicht ganz klar: Deutsche Unternehmen setzen schon jetzt und auch zukünftig deutlich mehr auf grüne als auf fossile Energie. Die jetzige Situation scheint die Investitionsvorhaben, die vielfach im Kontext von ESG-Initiativen bereits vor der jetzigen Krise gefasst worden sind, noch einmal beschleunigt zu haben.“

Steffen Puhlmann sagt: „Zur Wahrheit gehört jedoch auch: Unternehmen mit nicht ausreichender Liquidität können diese Investitionen in den meisten Fällen jetzt nicht stemmen. Sie müssten, sofern überhaupt möglich, ihren Verschuldungsgrad weiter erhöhen. Gerade viele deutsche produzierende Mittelständler werden darum den Investitionsrückstau im Vergleich zu ihren liquideren Wettbewerbern noch weiter ausbauen. Für viele wird eine Restrukturierung in den nächsten Monaten und Jahren damit unausweichlich werden.“

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Mittelständler reichen Preissteigerungen an Kunden weiter – nur jeder zehnte Dienstleister hat dies bisher umgesetzt
Weitere Maßnahmen, welche die von Forsa befragten Unternehmen umgesetzt haben oder gerade umsetzen, um Gas und Energie zu sparen: 61 Prozent aller Unternehmen senken die Raumtemperatur, 54 Prozent setzen vermehrt aufs Home Office. Rund die Hälfte haben bisher die Heizungsanlage gewartet, optimiert oder ausgetauscht. 29 Prozent haben bereits Preissteigerungen zumindest in Teilen direkt an ihre Kunden weitergereicht. Hier fällt ein Unterschied insbesondere in der Dienstleistungsbranche auf: Bisher ist es erst jedem zehnten Dienstleister gelungen, Preissteigerungen weiterzureichen. Zwar arbeiten aktuell 28 Prozent der Dienstleister an der Umsetzung von Preiserhöhungen beziehungsweise planen dieses – insgesamt wollen 37 Prozent jedoch die Preise gar nicht anheben (vergleiche verarbeitendes Gewerbe: 18 Prozent wollen nicht anheben, Handel: 25 Prozent).

„Natürlich zeigt eine solche Untersuchung vor allem Tendenzen auf. Fest steht aber: Wer Preissteigerungen nicht weitergibt, der kann sie schlichtweg nicht weitergeben“, sagt Steffen Puhlmann. „Natürlich sind Dienstleistungsunternehmen vielfach deutlich weniger von Gas- und Energiepreissteigerungen betroffen als das produzierende Gewerbe. Jedoch sind sie selbst auch weiteren Teuerungen im Einkauf ausgesetzt und insbesondere der Faktor Arbeit hat sich bei qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgrund großer Knappheit verteuert. Dementsprechend werden die Margen vieler Dienstleister unter Druck geraten. Zuletzt: Dienstleister waren neben dem Handel schon die großen Verlierer in der Pandemie. Wer Preissteigerungen nicht weitergeben kann, muss jetzt analog zu den produzierenden Unternehmen dringend Ineffizienzen beseitigen und alternative Erlösquellen erschließen.“

Über die Untersuchung:

Das Umfrage- und Meinungsforschungsinstitut Forsa hat im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch im September und Oktober 2022 insgesamt 152 Unternehmen aus den Branchen Industrie, Handel und Dienstleistungen mit einem Jahresumsatz zwischen 40 Mio. Euro und 1 Mrd. Euro (deutscher Mittelstand) befragt, darunter rund 50 Prozent aus dem produzierenden Gewerbe.

Diese Zahlen sind ein erster Einblick in die umfassende Untersuchung ‚Climate Governance 2023‘ von FTI-Andersch in Zusammenarbeit mit dem Institut für Management, Accounting und Finance der Leuphana Universität Lüneburg (Professor Dr. Patrick Velte). Die vollständige Untersuchung mit einem Schwerpunkt zu Klima-Strategien und -Governance deutscher Unternehmen wird in den kommenden Monaten veröffentlicht.

(Quelle: Presseinformation der FTI-Andersch AG)

 

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