Anwenderbericht
Für die Maßhaltigkeit der einzelnen Baugruppen galten hohe Anforderungen. - © Jebens GmbH
16.08.2022

Gefragte Brennschneidexpertise für Pilotprojekt zur Grubenwasserhaltung

Auf immer und ewig

Der Steinkohlenbergbau hat das Ruhrgebiet in Deutschland über mehr als zwei Jahrhunderte geprägt und zum fünftgrößten Ballungsraum in Europa gemacht. 2018 endete die Ära der aktiven Steinkohlenförderung und damit ein bedeutendes Kapitel der deutschen Industriegeschichte. Die Folgen des Steinkohlenabbaus begleiten die Region jedoch auch in den kommenden Jahrhunderten als sogenannte Ewigkeitsaufgaben. Zu diesem Erbe zählt unter anderem das Management der langfristigen Grubenwasserhaltung. Thyssen Schachtbau beauftragte für ein Pilotprojekt im Schacht Amalie, Essen, den Brennschneidspezialisten Jebens mit der Fertigung einer 150 Tonnen schweren mobilen Fundamentplatte.

Thyssen Schachtbau ist eine der weltweit führenden Bergbauspezialgesellschaften mit über 150 Jahren Erfahrung unter Tage. Heute ist der Umbau der Grubenwasserhaltung im Rahmen der Ewigkeitsaufgaben einer der Tätigkeitsschwerpunkte des Unternehmens. Damit unterstützt es die Stiftung der Ruhrkohle AG (RAG) bei der Umrüstung der Grubenwasserhaltungsstandorte auf zentrale Brunnenwasserhaltung. Der RAG-Stiftung obliegt die Finanzierung der Ewigkeitsaufgaben, die durch den Bergbau bedingt wurden.

Während des aktiven Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet wurde das permanent anfallende Grubenwasser durch Pumpen nach über Tage gehoben und in naheliegende Flüsse wie Emscher, Lippe, Ruhr oder Rhein eingeleitet. Auch nach der Zechenstilllegung sickert das Regenwasser durch die Gesteinsschichten in die Gruben. Dabei löst es Mineralien wie Salze aus dem Gestein. Um die Kontamination des Trinkwassers zu verhindern, wird das Grubenwasser im Rahmen der Ewigkeitsaufgaben weiterhin gehoben und in die umliegenden Flüsse geleitet.

Bild 1: Die 150 Tonnen schwere Baugruppe für die Fundamentplatte besteht aus sieben Einzelteilen mit Steckverbindungen. - © Jebens GmbH
Bild 1: Die 150 Tonnen schwere Baugruppe für die Fundamentplatte besteht aus sieben Einzelteilen mit Steckverbindungen. © Jebens GmbH

Die Pumphöhe des Grubenwassers wird bis 2035 sukzessive von 900 Metern auf 600 Meter angehoben – ein Niveau, das immer noch 150 Meter unterhalb trinkwasserführender Schichten liegt. Durch diese Maßnahme werden die hohen Pump-, Wartungs- und Instandhaltungskosten reduziert und die Grubenwasserhaltung wird ökonomisch wie ökologisch verbessert. Langfristig sollen von 13 Grubenwasserhaltungen im Ruhrgebiet nur sechs erhalten bleiben. Diese verbleibenden Standorte werden auf Brunnenwasserhaltung umgestellt. Dadurch kann beispielsweise die Emscher komplett von der Grubenwassereinleitung befreit werden.

Mobile 150 Tonnen schwere Fundamentplatte

In Pilotprojekten wird zudem eine energetische Nutzung des 20 bis 30 Grad warmen Grubenwassers für Heizkraftwerke oder zur geothermischen Versorgung von Wohn- und Gewerbegebieten geprüft. Eines dieser Pilotprojekte ist der zentrumsnahe Schacht Amalie in Essen. Auf dem umliegenden Zechengelände entsteht gegenwärtig ein neues Stadtviertel. Durch die Brunnenwasserhaltung bleibt der Zugang zur Tiefe gewährleistet. Eine temporär in den Schacht eingebrachte Pumpe bringt die Grubenwasserhöhe auf das definierte Niveau und überwacht sie. Thyssen Schachtbau beauftragte Jebens für dieses Projekt mit der Fertigung der größten von drei Baugruppen für eine mobile Fundamentplatte, die eine ebenfalls mobile Seilwindenanlage trägt. Die aus den Werkstoffen S235JR+N und S355J2+N mit APZ 3.1 gefertigte Baugruppe bringt 150 Tonnen auf die Waage. Entsprechend groß sind ihre Abmessungen: 6.300 Millimeter lang, 5.300 Millimeter breit und – zusammengefügt aus vier Blechen à 200 Millimeter Materialdicke – insgesamt 800 Millimeter dick. Für die Fundamentplatte fertigte Jebens insgesamt sieben, zwischen 5,9 und 25,5 Tonnen schwere Einzelteile, um sie anschließend zur Baugruppe zu verschweißen.

Jebens ist Großlagerhalter von Dillinger, Europas größtem Grobblechhersteller. Deshalb bevorratete der Brennschneidexperte sogar in Zeiten enger Materialverfügbarkeit diese hohe Tonnage an Blechen in der Dicke von 200 Millimetern in über 6.000 Millimeter Länge und konnte somit entsprechend kurzfristig liefern. Üblicherweise werden bei solch dicken Blechen nur Blechformate bis maximal 6.000 Millimter Länge bevorratet. Für Jebens sprach überdies, dass Thyssen Schachtbau einen Lieferanten suchte, der das bevorratete Material mit der gebotenen Präzision aus einer Hand schweißen, mechanisch bearbeiten und unter Überwachung durch den TÜV Rheinland lackieren konnte – und zugleich die Einhaltung des engen Liefertermins gewährleistete.

Für den Experten aus Korntal-Münchingen ist die maßgeschneiderte Anfertigung solch großer schwerer Brennteile und komplexer Schweißbaugruppen eine Paradedisziplin. Thyssen Schachtbau errichtete und montierte nach dem Zusammenbau mit zwei kleineren Platten die Seilwinde millimetergenau auf der Fundamentplatte. Wenn der Pilot-Einsatz am Schacht Amalie erfolgreich verläuft, ist der Einsatz der mobilen Konstruktion aus Fundamentplatte und Seilwinde auch an anderen Grubenwasserhaltungsstandorten im Ruhrgebiet angedacht. So soll sie einen dauerhaften Beitrag zur Bewältigung der Ewigkeitsaufgaben leisten.

(Quelle: Jebens GmbH)

Schlagworte

BergbauBlechbearbeitungBrennschneidenSchweißtechnik

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