Polarstern Neubau Wismar Luftbild. - © Alfred-Wegener-Institut / thyssenkrupp Marine Systems
24.12.2024

Polarstern-Neubau: Auftrag für deutschen Forschungseisbrecher vergeben

Polarstern-Neubau: Auftrag für deutschen Forschungseisbrecher vergeben

Gute Nachricht für die deutsche Forschungsflotte, den deutschen Schiffbau und die internationale Polarforschung: Die neue Polarstern wird in Wismar von thyssenkrupp Marine Systems gebaut. Die Werft hat am 19. Dezember 2024 vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) den Zuschlag zum Bau des neuen Forschungseisbrechers erhalten. Ein knapp zweieinhalbjähriges europaweites Vergabeverfahren kommt damit zum Abschluss. Das neue Flaggschiff für die deutsche Klimaforschung soll 1,185 Mrd. Euro kosten. Nach fünfjähriger Bauzeit soll die neue Polarstern im Jahr 2030 an die Forschung übergeben werden.

Dazu erklärt Bundesforschungsminister Cem Özdemir:

„Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat [...] den Weg frei gemacht für den Bau eines der modernsten Forschungsschiffe weltweit. Ich freue mich sehr, dass die Polarstern II voraussichtlich Ende der Dekade in den Dienst der Polar- und Meeresforschung gestellt werden kann. Schon ihre Vorgängerin, die Polarstern I, hat uns essentielle Erkenntnisse in der Erforschung der Folgen des Klimawandels für das Polarmeer und unseren Planeten geliefert. Auf diese Forschungsergebnisse können wir nicht verzichten, wenn wir den Klimawandel verstehen und seine Folgen antizipieren wollen. Dafür brauchen wir die Polarstern II.“

Um die Polar- und Meeresforschung auch in Zukunft auf höchstem wissenschaftlichem und technischem Niveau zu ermöglichen, hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das AWI im Jahr 2022 in die Lage versetzt, den Bau eines modernen, leistungsfähigen und nachhaltigen Nachfolgeschiffs auszuschreiben und zu koordinieren. Das etwa 20-köpfige Projektteam des AWI unter der Leitung von Detlef Wilde arbeitet seitdem am Standort Bremerhaven an der Umsetzung.

Illustration: Polarstern Neubau 3D -Ansciht auf See. - © Alfred-Wegener-Institut / thyssenkrupp Marine Systems
Illustration: Polarstern Neubau 3D -Ansciht auf See. © Alfred-Wegener-Institut / thyssenkrupp Marine Systems

Dazu Kathrin Moosdorf, Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft: „Dass das AWI ein neues Forschungsschiff erhalten wird, ist eine sehr gute Nachricht für unseren Wissenschaftsstandort. Klima- und Naturschutz auf Basis des besten wissenschaftlichen Wissens zu unterstützen ist mir ein besonderes Anliegen. Mit der neuen Polarstern wird diese Forschung weiterhin auf höchstem internationalen Niveau wirken können, und Bremerhaven und Bremen werden vor Ort von der Anziehungskraft eines solchen modernen Forschungseisbrechers profitieren.“

„Wir freuen uns riesig, dass der Bau nun beginnen kann“, sagt Prof. Dr. Antje Boetius, die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Wir mussten lange auf diesen Moment warten. So lieb wir die alte Polarstern haben, die Wissenschaft braucht dringend ein neues Forschungsschiff, das moderne Technologien einsetzen kann. Mit der technischen Ausstattung an Bord, beispielsweise der Unterwasserrobotik, den unbemannten Flugkörpern und neuer Bohrtechnologie werden wir auch neue und dringende Fragestellungen besser angehen können. Vor allem freut es mich, dass Deutschland so die neue UN-Dekade für die Wissenschaft der Kryosphäre und das Internationale Polare Jahr ausgezeichnet unterstützen kann.“

Mit einer Länge von ca. 160 Metern, einer Breite von 27 Metern und einer Höhe von 14 Metern wird die neue Polarstern pro Fahrt 60 bis 90 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt sowie 50 Crewmitgliedern die Möglichkeit geben, insbesondere aus den Polarregionen entscheidende Erkenntnisse zu den Wirkungen des Klimawandels, zu Funktionen der polaren Lebensgemeinschaften sowie zum Umweltschutz zu gewinnen. Für die interdisziplinäre Erdsystemforschung sind Labore und Werkzeuge für die verschiedensten Fachgemeinschaften eingeplant: von der Geologie und Geophysik über die Biologie und Ozeanographie bis hin zur Meereis- und Atmosphärenforschung. Die neue Polarstern wird an mehr als 300 Tagen pro Jahr auf See unter sich verändernden Eis- und Witterungsbedingungen einsetzbar sein.

Illustration: Polarstern Neubau in Wismar. - © Alfred-Wegener-Institut / thyssenkrupp Marine Systems
Illustration: Polarstern Neubau in Wismar. © Alfred-Wegener-Institut / thyssenkrupp Marine Systems

„Die Vergabe des Neubaus der ‚Polarstern II‘ an unseren Standort in Wismar freut uns sehr“, sagt Oliver Burkhard, CEO von thyssenkrupp Marine Systems. „Die Entscheidung ist ein Vertrauensbeweis in thyssenkrupp Marine Systems, seine Fähigkeiten auch im zivilen Bereich zu demonstrieren. Zudem zeigt der heutige Beschluss, dass wir technologische Spitzenleistungen zu international wettbewerbsfähigen Konditionen anbieten können. Auch im Schiffbau mit neuen nachhaltigen Antriebstechnologien voranzukommen, ist eine große Aufgabe, der wir uns gerne widmen werden. Für unsere Werft in Wismar ist die heutige Entscheidung ein wichtiges Zukunftssignal: Perspektivisch könnten wir bei einer vollen Auslastung im Unter- und Überwasserbereich ca. 1.500 Arbeitsplätze schaffen.“

Das Forschungsschiff wird unter anderem eine höhere Eisbrechleistung besitzen als seine Vorgängerin, die sogenannte Polarklasse 2. Damit kann es auch in Gebiete vordringen, in denen das Eis für die heutige Polarstern zu dick ist, etwa das südliche Weddellmeer in der Antarktis. Als multidisziplinäre Forschungsplattform wird die neue Polarstern modernstes Großgerät an Bord haben, beispielsweise Helikopter und Drohnen, sowie Roboter für tiefe Tauchgänge unter das dicke Eis der Antarktis oder auch für tiefe Sedimentbohrungen. Polarstern wird dafür über einen sogenannten „Moonpool“ verfügen. Das ist eine geschützte Rumpföffnung im Schiff, damit komplexe Tauchroboter auch unter dem Eis zum Einsatz kommen. Die robotischen Systeme können in bis zu 6000 Metern Tiefe eingesetzt werden.

Zudem wird die neue Polarstern, die weiterhin unter der Bundesdienstflagge fährt, auch die Versorgung der Neumayer-Station III in der Antarktis fortführen. Die Station dient als Basis für die deutsche landbasierte Antarktis-Forschung. Das neue Forschungsschiff soll eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren haben und auch im Eis überwintern können. „Die neue Polarstern wird eines der ambitioniertesten Infrastrukturprojekte in der Geschichte der Helmholtz-Gemeinschaft. Mit diesem Schiff setzen wir völlig neue Maßstäbe in der Erforschung des Erdsystems und tragen dazu bei, dass das Alfred-Wegener-Institut ein weltweiter Top-Standort für die internationale Polar- und Meeresforschung bleibt“, sagt Prof. Dr. Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. „Das Projekt ist außerdem gerade in diesen Zeiten eine wichtige wirtschaftsfördernde Maßnahme und zeigt, wie Wissenschaft zum Impulsgeber für nachhaltige Zukunftstechnologien werden kann.“

Illustration: Polarstern Neubau 3D-Ansicht im Eis. - © Alfred-Wegener-Institut / thyssenkrupp Marine Systems
Illustration: Polarstern Neubau 3D-Ansicht im Eis. © Alfred-Wegener-Institut / thyssenkrupp Marine Systems

Die Bereederung für die ersten zehn Betriebsjahre erfolgt – wie schon bei der jetzigen Polarstern – durch die Reederei F. Laeisz. Mit ihrer 200-jährigen Erfahrung in der Schifffahrt und 30-jährigen Aktivitäten in den Polarmeeren ist die Reederei bestens für die anstehende Bauaufsicht und spätere Bereederung des Schiffes vorbereitet. „Die Seemannschaft und Kompetenz unserer Crew für den Einsatz in Polarregionen ist ausgezeichnet, wir freuen uns auf die Arbeit mit einem High-Tech-Schiff. Es bedeutet, bei absoluter Spitzenforschung dabei sein zu dürfen – wer würde sich darüber nicht sehr freuen?“, sagt Niko Schües, Inhaber und CEO der Reederei.

Als einer der umweltfreundlichsten Eisbrecher der Welt wird die neue Polarstern eine Botschafterin für innovative technische Lösungen und Materialien im Bereich der Nachhaltigkeit sein, etwa durch ihren neuen Antrieb, der auch mit grünem Methanol möglich ist. Schadstoffe im Abgas werden bis an die Grenze des heute Machbaren reduziert. So wird die neue Polarstern mit modernsten Rußpartikelfiltern, Katalysatoren und einer Harnstoff-Einspritzung zur Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes ausgestattet.

In das Anforderungsprofil sind die Erfahrungen aus über 40 Jahren Polarstern-Betrieb eingeflossen. Die aktuelle Polarstern wurde am 9. Dezember 1982 in Betrieb genommen, fährt nun also seit 42 Jahren als einziger deutscher Forschungseisbrecher in die Arktis und die Antarktis und hat derzeit noch einen so genannten Schiffs-TÜV (Schiffs-Klassifikation) bis 2027. Um die Polar- und Meeresforschung in der Übergangszeit bis zur Inbetriebnahme der neuen Polarstern zu ermöglichen, soll die Klassifikation entsprechend verlängert werden. Seit ihrer Indienststellung hat das Forschungsflaggschiff der Bundesrepublik Deutschland rund 1,9 Millionen Seemeilen zurückgelegt.

Mit einem Beschluss des Bundeshaushalts 2022 durch den Deutschen Bundestag konnte das Vergabeverfahren am 3. Juni 2022 mit einer europaweiten Ausschreibung starten. Das AWI-Projektteam unter Leitung von Detlef Wilde wird nun auch die weitere Bauaufsicht des neuen Forschungs- und Versorgungsschiffes bis zur Abnahme übernehmen. Nach der Abnahme geht die neue Polarstern in den Besitz des AWI über.

(Quelle: Presseinformation des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung)

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