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23 Knoten für insgesamt 150 Fahrgäste: Die Medstraum geht in den Linienbetrieb zwischen der Stadt Stavanger und den umliegenden Gemeinden und Inseln. - © Marius Knutsen/TrAM-Konsortium
11.09.2022

„Ship of the Year“-Award für weltweit erste Elektro-Passagierfähre

„Ship of the Year“-Award für weltweit erste Elektro-Passagierfähre

Schiff des Jahres 2022 ist die norwegische Elektro-Passagierfähre Medstraum. Sie ist die weltweit erste emissionsfreie, elektrisch betriebene Hochgeschwindigkeitsfähre im Linienbetrieb. Vier Jahre arbeitete ein europäisches Konsortium im Forschungsprojekt TrAM an revolutionären Methoden, um Elektro-Passagierfähren künftig schneller und kostengünstiger zu entwickeln – und unsere Mobilität nachhaltiger zu machen. Die Ansätze, an denen das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM sowie das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO beteiligt waren, sollen für künftige Fährprojekte 70 Prozent Entwicklungszeit und 25 Prozent Herstellungskosten einsparen.

Am 6. September 2022 erhielt die Fähre Medstraum die Auszeichnung Schiff des Jahres auf der Weltleitmesse für Maritimwirtschaft SMM in Hamburg. Die Medstraum fährt seit Sommer 2022 im norwegischen Stavanger im Linienbetrieb. Um Fähren, die für gewöhnlich aufwendige und langwierige Einzelfertigungen sind, schneller und günstiger bauen zu können, setzte das EU-weite TrAM-Projektkonsortium auf das Prinzip der Modularisierung. Wiederverwendbare Bausteine in Entwicklung und Produktion sollen den Schiffsbau deutlich schneller, effizienter und damit wettbewerbsfähiger machen.

Am 6. September nahm das TrAM-Konsortium die Auszeichnung »Ship of the Year« auf der Weltleitmesse für Maritimwirtschaft SMM in Hamburg entgegen. - © Marius Knutsen/TrAM-Konsortium
Am 6. September nahm das TrAM-Konsortium die Auszeichnung »Ship of the Year« auf der Weltleitmesse für Maritimwirtschaft SMM in Hamburg entgegen. © Marius Knutsen/TrAM-Konsortium
Baukastenprinzip reduziert Entwicklungszeit um 70 Prozent

Das Fraunhofer IEM verantwortet die Entwicklung einer ganzheitlichen Methodik, die die maritime Industrie künftig bei Entwurf und Bau modularer Fähren unterstützt. Mit Model-Based Systems Engineering erarbeiteten die Forscherinnen und Forscher ein gemeinsames Verständnis zwischen allen Entwicklungspartnern. Dreh- und Angelpunkt ist ein Systemmodell, das Komplexitäten und Abhängigkeiten in der Entwicklung transparent und handhabbar macht. Der Clou: Das Systemmodell ist lösungsneutral und flexibel einsetzbar – ein Meilenstein im Schiffsbau. Die Analyse der Anforderungen verschiedener Fährtypen liefert Standardelemente für die Entwicklung, ähnlich einem Baukastenprinzip. Entwicklerinnen und Entwickler neuer Fährprojekte können die Konzepte wiederverwenden und so bis zu 70 Prozent Entwicklungszeit und 25 Prozent Herstellungskosten einsparen.

„Das Fraunhofer IEM bringt seine Engineering-Expertise bereits seit Jahren in der Automobilbranche und dem Maschinenbau ein, um individuelle Produkte in kurzer Entwicklungszeit zu realisieren. Erstmals haben wir unsere Ansätze nun erfolgreich in der maritimen Industrie eingesetzt. Die Wettbewerbsfähigkeit vollelektrischer Hochgeschwindigkeitsfähren wird durch modulares Design und modulare Herstellung deutlich erhöht. Dies ist ein wichtiger Baustein für das Erreichen der europäischen Klimaziele im Mobilitätssektor“, erläutert Dr.-Ing. Christoph Jürgenhake, stellvertretender Abteilungsleiter Systems Engineering am Fraunhofer IEM.

„Die Wettbewerbsfähigkeit vollelektrischer Hochgeschwindigkeitsfähren wird durch modulares Design und modulare Herstellung deutlich erhöht“, sagt Dr.-Ing. Christoph Jürgenhake vom Fraunhofer IEM, der die Entwicklung einer ganzheitlichen Entwurfsmethodik verantwortete. - © Marius Knutsen/TrAM-Konsortium
„Die Wettbewerbsfähigkeit vollelektrischer Hochgeschwindigkeitsfähren wird durch modulares Design und modulare Herstellung deutlich erhöht“, sagt Dr.-Ing. Christoph Jürgenhake vom Fraunhofer IEM, der die Entwicklung einer ganzheitlichen Entwurfsmethodik verantwortete. © Marius Knutsen/TrAM-Konsortium
Städteplanung für nachhaltige Mobilität

Das Fraunhofer IAO hat untersucht, wie Städte ihre Mobilitätskonzepte an neue Technologien anpassen und wie die Schnittstellen zwischen Wasser- und Landmobilität zukünftig gestaltet sein müssen. Hierbei stand die Frage im Fokus, wie durch das gezielte Zusammenspiel von Wasser- und Landmobilität ein Beitrag für eine klimaneutrale und bedarfsgerechte urbane Mobilität geleistet werden kann. Konkret bedeutet das, Wasser- und Landmobilität in Informations-, Buchungs- und Ticketsysteme zu integrieren, sowie verschiedene Mobilitätsformen mit ihren unterschiedlichen Anforderungen in der Planung und Umsetzung anzubinden.

Nora Fanderl, Leiterin des Teams Mobility Ecosystems am Fraunhofer IAO, empfiehlt für die Umsetzung den Blick auf Best Practices: „Die Stadt Stavanger hat ein besonders spannendes Konzept zur Mobilitätshubgestaltung umgesetzt, das verschiedene intermodale Mobilitätsangebote von Wasser und Land zusammenbringt. Besonders spannend dabei ist, dass der Mobility Hub als Veranstaltungsort aktiv bespielt wird und somit Menschen zu dessen Nutzung bewegt.“

Die Fähre Medstraum – Technische Daten

Die Demonstrator-Fähre Medstraum (Norwegisch „mit Strom“ oder „Gleichstrom“) wurde in der Fjellstrand-Werft in Norwegen gebaut. Sie ist seit Sommer 2022 zwischen der Stadt Stavanger und den umliegenden Gemeinden und Inseln im Linienbetrieb. „Die Medstraum wird unsere Emissionen um 1500 Tonnen CO2 pro Jahr verringern, obwohl wir auf unserer Strecke mit dem geringsten Energiebedarf fahren. Das entspricht der Menge von 60 Bussen“, sagt Mikal Dahle, Projektleiter bei der ÖPNV-Verwaltung Kolumbus in der norwegischen Provinz Rogaland. Auf ihren Linienfahrten testet und validiert sie die Projektergebnisse des europäischen Forschungskonsortiums.

Die technischen Daten im Überblick:

  • Kapazität: 150 Personen
  • 31 Meter lang / 9 Meter breit
  • Betriebsgeschwindigkeit von 23 Knoten
  • Einsparung von derzeit 1500 Tonnen CO2 pro Jahr (je nach Einsatzgebiet)
  • Zwei Elektromotoren und eine Batterie mit einer Kapazität von 1,5 MWh und einer Ladeleistung von mehr als 2 MW
  • Klassifizierung nach dem International Code of Safety for High-Speed Crafts (HSC-Code)
Das EU-Projekt TrAM – Transport: Advanced and Modular

Das EU-Projekt TrAM – Transport: Advanced and Modular wird wurde von September 2018 bis August 2022 mit 15 Mio. Euro gefördert. Insgesamt 15 Partner aus 7 EU-Staaten arbeiten daran. Die Projektleitung übernahm Kolumbus, Mobilitätsdienstleister der norwegischen Provinz Rogaland. Deutsche Partner sind das Fraunhofer IEM, das Fraunhofer IAO und die HSVA Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt. Die HSVA übernahm als Schiffbau-Experte die Wassertanktests und hydrodynamische Optimierung für die künftige modulare Schiffsklasse.

(Quelle: Presseinformation des Fraunhofer-Instituts für Entwurfstechnik Mechatronik IEM)

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AutomobilbauE-MobilitätMaschinenbauMobilitätswendeSchiffbau

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