Trendthema Wirtschaft
© unsplash.com / Matthew Henry
11.02.2023

Allianz Trade Studie: Energiepreise für deutsche Unternehmen 2023 rund 40 Prozent höher als vor der Krise

Allianz Trade Studie: Energiepreise für deutsche Unternehmen 2023 rund 40 Prozent höher als vor der Krise

Zuletzt wieder sinkende Energiepreise schürten vielerorts die Hoffnung, dass das Schlimmste schon vorbei sein könnte. Doch den Energiepreisschock haben europäische Unternehmen 2023 noch vor sich. Der weltweit tätige Kreditversicherer Allianz Trade geht in seiner jüngsten Studie davon aus, dass die Energiepreise in diesem Jahr deutlich nach oben schnellen dürften. 2022 war der Anstieg für Unternehmen noch relativ überschaubar. Grund dafür waren die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen sowie die laufenden Langzeitverträge der Unternehmen, die nur teilweise an kurzfristige Marktpreisentwicklungen gebunden sind. Mit der anstehenden Verlängerung dieser Verträge dürfte nun auch der Industrie ein deutlicher Preisanstieg ins Haus stehen.

„Energiepreise liegen für deutsche Unternehmen 2023 voraussichtlich rund 40 % höher als vor dem Ukraine-Krieg “, sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Das ist eine Hausnummer. Aber die deutschen Unternehmen – und insbesondere der deutsche Mittelstand – sind krisenfest und solide finanziert. Zudem federt der staatliche Gaspreisdeckel die Preisentwicklung deutlich ab.“

Anstieg in Deutschland moderat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern

Im Vergleich zum Anstieg der Verbraucherpreise oder der zur erwartenden Entwicklung in anderen europäischen Ländern ist der Anstieg in Deutschland zudem immer noch vergleichsweise moderat.

„Für Italien und Spanien gehen wir davon aus, dass die Preise 2023 mit +90 % im Vergleich zu 2021 mehr als doppelt so stark in die Höhe schnellen“, sagt Bogaerts. „Das Schlimmste ist noch nicht vorbei für die europäische Industrie. Die große Angst vor einer Deindustrialisierung durch den Energiepreisschock ist allerdings unbegründet. Der Energieverbrauch macht nur einen kleinen Teil der Produktionskosten im verarbeitenden Gewerbe aus. Lohnkosten und Wechselkurse haben auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einen viel größeren Einfluss.“

Vorausgesagter Anstieg der Energiekosten in in den größten europäischen Ländern und in den USA zwischen 2021 und 2023 für alle Sektoren (in %). - © Allianz Trade
Vorausgesagter Anstieg der Energiekosten in in den größten europäischen Ländern und in den USA zwischen 2021 und 2023 für alle Sektoren (in %). © Allianz Trade
Sorge vor Deindustrialisierung durch Energiepreisschock unbegründet

Zuletzt ging verstärkt die Sorge vor einer Deindustrialisierung um, und die USA wurden als große Gewinner dieser Entwicklung gehandelt. Das Energiepreisgefälle zwischen Europa und den USA ist inzwischen tatsächlich relativ groß: Seit 2021 haben sich die Erdgaspreise in den USA um das Zweifache und in Europa um das Sechsfache erhöht.

Wettbewerbsfähigkeit: Lohnkosten und Wechselkurse fallen schwerer ins Gewicht

Der Energieverbrauch macht in der Regel jedoch nur etwa 1-1,5 % der Produktionskosten im verarbeitenden Gewerbe aus. Für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Vergleich zu ihrem Pendant in den USA ist dies demnach nicht der entscheidende Faktor. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit ist viel stärker abhängig von Veränderungen der Arbeitskosten und des Wechselkurses. Allerdings könnte das Energiepreisgefälle zwischen Europa und den USA nach Einschätzung der Allianz Trade Studie teilweise zu Einbußen bei der Produktion und einem moderaten Stellenabbau führen, insbesondere in Spanien, wo die Industrie aktuell anfälliger erscheint als im restlichen Europa.

Energiekrise dämpft Investitionen und Rentabilität

„Die Energiekrise wirkt sich jedoch auf die Rentabilität und vor allem die Investitionen der Unternehmen aus“, sagt Maxime Darmet, Senior Volkswirt bei Allianz Trade. „Bei beiden Aspekten sehen wir aktuell einen Rückgang, vor allem in Frankreich, Spanien und Großbritannien. Auch hier zeigt sich die deutsche Industrie vergleichsweise robust und hat häufig entsprechende Puffer.“

Der aktuelle Energieschock dämpft die Unternehmensrentabilität um etwa -1 bis 1,5 Prozentpunkte (pp) und die Investitionsquote um 1-2 pp. Dies würde Investitionsverluste von 40 Mrd. EUR in Frankreich, 25 Mrd. EUR in Spanien und 25 Mrd. GBP im Vereinigten Königreich bedeuten. In Deutschland dürften die Investitionsverluste geringer ausfallen und unterhalb der 25 Mrd. EUR bleiben.

Einige europäische Branchen verlieren Marktanteile

„Allerdings beobachten wir, dass einige Branchen in Europa durchaus Marktanteile verlieren“, sagt Darmet. „Die Gewinner sind dabei jedoch nicht die USA, sondern vor allem Länder in Asien, Nordafrika sowie einige wenige Länder in Europa wie Irland und Polen.“

Die vollständige Studie (in englischer Sprache) kann hier heruntergeladen werden. Eine deutsche Zusammenfassung findet sich hier.

(Quelle: Pressemitteilung von Allianz Trade Deutschland)

© unsplash.com / Christian Dubovan
© unsplash.com / Christian Dubovan

Schlagworte

BrancheEnergieEnergiekriseEnergiepreiseEntwicklungErdgasGasHandelIndustrieMarktMittelstandProduktionUnternehmenWettbewerb

Verwandte Artikel

Marek Borgstedt setzt Jan Blatt (v.r.n.l.) an die Spitze des Factory Excellence Networks.
27.06.2024

Factory Excellence Network bekommt neue Spitze

Das Factory Excellence Network stellt mit Jan Blatt einen neuen Geschäftsführer vor. Er löst Netzwerk-Gründer Markus Kreisle ab. Die eingespielte Kollaboration des Netzwe...

Automatisierung Digitalisierung Fertigung Produktion Wertschöpfung
Mehr erfahren
25.06.2024

Transfer und Normung sichern Ideen für den Fortschritt

„Wenn am Ende die Praxis nicht funktioniert, weil die Normung fehlt, haben wir nichts gewonnen. Deshalb ist die Zusammenarbeit von DIN, DKE und AiF [...] so wertvoll“, so...

Digitalisierung Forschung Mittelstand Normung
Mehr erfahren
23.06.2024

Call for Papers für die Tagung ROBOTER 2025

Die Tagung ROBOTER 2025 findet am 18. und 19. Februar 2025 in der Schwabenlandhalle in Fellbach statt. Ab sofort können Vorträge für die Veranstaltung eingereicht werden....

Additive Fertigung Automation Cloud Robotics Cobots Cybersicherheit Digitalisierung Energieeffizienz Fügetechnik Handwerk Industrie Industrieroboter KI Kosteneffizienz Robotik Schweißtechnik
Mehr erfahren
v.l.: Dr. Gregor Nüsse (FOSTA), Johannes Diebel (FKT), Rainer Salomon (FOSTA), Thomas Reiche (AiF-Vorstand und FEhS), Dr. Tobias Voigt (IVLV)
20.06.2024

AiF: Innovativer Mittelstand gestaltet die Zukunft Deutschlands

Ein Molotowcocktail-Schutzanzug für Polizisten oder die Rohrreinigung mit Hilfe von Blitzen gehören zu den Innovationen, die auf dem Innovationstag Mittelstand des BMWK p...

Innovationen Mittelstand Nachhaltigkeit Ressourcenschonung
Mehr erfahren
18.06.2024

Helena Melnikov wird 2025 neue Hauptgeschäftsführerin der DIHK

Helena Melnikov wird zum 1. Januar 2025 neue Hauptgeschäftsführerin der DIHK. Sie wird Nachfolgerin von Martin Wansleben gewählt, der in Ruhestand gehen wird.

Handel Industrie
Mehr erfahren